19.10.2024
Kulturdenkmal Klingebiel-Zelle öffnet Türen für die Öffentlichkeit
Kulturdenkmal Klingebiel-Zelle wird zugänglich gemacht

Kulturdenkmal Klingebiel-Zelle wird zugänglich gemacht

Die Klingebiel-Zelle im ehemaligen Verwahrhaus Göttingen, ein bedeutendes Kulturdenkmal, wird bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese Zelle ist bekannt für ihre künstlerisch gestalteten Wände, die von dem ehemaligen Insassen Julius Klingebiel während seines Aufenthalts dort bemalt wurden. Die Zelle, die im Jahr 2012 unter Denkmalschutz gestellt wurde, ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Kunst psychiatrieerfahrener Menschen.

Hintergrund zur Klingebiel-Zelle

Julius Klingebiel wurde 1939 nach einem Arbeitsunfall als schizophren diagnostiziert und ohne richterliche Anordnung in die Nervenklinik Hannover eingewiesen. Nach mehreren Aufenthalten in verschiedenen Kliniken wurde er 1951 dauerhaft im Verwahrhaus Göttingen untergebracht, wo er bis zu seinem Tod 1965 lebte. Während seiner Zeit in der Zelle 117, die von 1951 bis 1963 sein Zuhause war, begann Klingebiel, die Wände mit verschiedenen Motiven zu bemalen. Diese umfassen sowohl kleine Zeichnungen als auch großflächige Malereien.

Künstlerische Gestaltung der Zelle

Die Wände der Klingebiel-Zelle sind mit einer Vielzahl von Wandgemälden verziert. Auf der linken Seite finden sich viele kleinteilige Zeichnungen, die Themen wie Religion und Nationalsozialismus behandeln. Dazu zählen unter anderem Kreuze, Militärorden und eine Karikatur von Adolf Hitler. Im Gegensatz dazu zeigen die großflächigen Malereien auf der rechten Seite vor allem Tiere, wie zum Beispiel Hirsche. Die Malerei wird als eine Art Ausdruck von Klingebiels innerem Erleben und seinen Gedanken verstanden, was die Zelle zu einem bedeutenden Ort der psychologischen und kunsthistorischen Forschung macht.

Der Erhalt der Zelle und zukünftige Zugänglichkeit

Um die Zelle für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sollen ab August 2024 umfangreiche Renovierungsarbeiten am Gebäude durchgeführt werden. Dieses dient seit 2016 nicht mehr als psychiatrische Einrichtung und wird nun als Depot für die Landesmuseen Hannover und Braunschweig umgebaut. Ein wichtiger Bestandteil des Projektes ist die Installation von Klimatechnik und eines Glaskastens, der es den Besuchern ermöglicht, die Zelle zu betreten, ohne die Wandgemälde zu gefährden. Die Kosten für diese Maßnahmen belaufen sich voraussichtlich auf über fünf Millionen Euro.

Schutz und Denkmalschutz

Die Zelle steht seit ihrer Anerkennung als Kulturdenkmal unter dem Schutz des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. Diese Anerkennung unterstreicht die Bedeutung der Wandmalereien und die Notwendigkeit, sie für zukünftige Generationen zu erhalten. In den vergangenen Jahren wurde bereits eine Schutzschicht auf die Malereien aufgetragen, die jedoch mittlerweile abblättert und dadurch die Farben und die Qualität des Kunstwerks gefährdet. Um weitere Schäden zu vermeiden, wird eine sorgfältige Restaurierung und Konservierung der Malerei erforderlich sein.

Die gesellschaftliche Bedeutung der Klingebiel-Zelle

Die Zugänglichkeit der Klingebiel-Zelle wird nicht nur als eine Möglichkeit gesehen, Kunst und Geschichte zu bewahren, sondern auch als ein Schritt in Richtung eines besseren Verständnisses für die Lebensrealität von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Indem die Gesellschaft Einblick in die kreative Ausdrucksweise von Julius Klingebiel erhält, können Vorurteile abgebaut und ein Bewusstsein für die Herausforderungen, mit denen psychisch erkrankte Menschen konfrontiert sind, geschaffen werden.

Fazit

Die Eröffnung der Klingebiel-Zelle für die Öffentlichkeit ist ein bedeutender Schritt in der Kulturdenkmalschutzpolitik Niedersachsens. Sie bietet die Chance, ein einzigartiges Kunstwerk zu erleben und gleichzeitig die gesellschaftlichen Themen rund um psychische Erkrankungen in den Fokus zu rücken. Die bevorstehenden Renovierungsarbeiten werden nicht nur der Erhaltung der Malereien dienen, sondern auch die Möglichkeit eröffnen, die Zelle als Ort der Reflexion und des Dialogs über psychische Gesundheit zu nutzen.

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