20.1.2025
Kunstturnen: Machtmissbrauch und der Weg zu mehr Respekt

Machtmissbrauch im Kunstturnen: Es geht auch anders, wenn man will

Von Sandra Schmidt, Berlin

In den letzten Wochen haben Vorwürfe über Machtmissbrauch und psychische Gewalt im deutschen Kunstturnen für Aufsehen gesorgt. Mehrere ehemalige Spitzenturnerinnen berichteten öffentlich von ihren negativen Erfahrungen, insbesondere am Bundesstützpunkt in Stuttgart. Doch es gibt auch andere Wege, wie Beispiele zeigen.

Wie die FAZ berichtet, schildert die ehemalige Turnerin Amelie den Kontrast zwischen dem Trainingsalltag in Stuttgart und Karlsruhe: "Das ist wirklich ein ganz anderes Universum, eine ganz andere Welt, allein wenn man in die Halle reingeht." In Stuttgart sei es nach dem Aufwärmen "sofort losgegangen, wenn die Uhr auf exakt 14 Uhr sprang: 'Und wehe, man stand dann nicht da. Wir mussten uns an der weißen Linie aufstellen, so ein bisschen wie beim Militär, und der Größe nach.'"

Die Vorwürfe der Athletinnen reichen von Erniedrigung und Missachtung bis hin zum Training trotz Verletzungen. Wie der Stern berichtet, beendete kürzlich die erst 17-jährige Meolie Jauch ihre Karriere, "weil es mental nicht mehr geht". Die frühere Olympiateilnehmerin Tabea Alt schilderte laut Deutschlandfunk "seelischen und körperlichen Missbrauch" während ihrer aktiven Zeit.

Doch es gibt auch positive Gegenbeispiele. Wie die FAZ schreibt, berichten eine frühere Athletin und eine Trainerin, dass sich Leistung auch anders erreichen lässt - mit Respekt und Wertschätzung. "Es geht auch anders, wenn man will", lautet ihr Fazit.

Der Deutsche Turner-Bund (DTB) steht nun unter Druck, die Vorwürfe gründlich aufzuarbeiten. Wie der Stern meldet, wurden zwei Trainer am Turnzentrum Stuttgart freigestellt. Das Bundesinnenministerium schließt laut Deutschlandfunk ein Einfrieren der Sportförderung nicht aus.

Experten sehen ein grundsätzliches Problem im Leistungssport. Die Sportsoziologin Bettina Rulofs von der Sporthochschule Köln erklärte dem Deutschlandfunk: "86 Prozent der befragten Leistungssportler und Leistungssportlerinnen gaben an, schon mal eine Form von psychischer Gewalt im Kontext des Leistungssports erlebt zu haben."

Um solche Missstände künftig zu verhindern, fordert die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, im Deutschlandfunk-Interview eine unabhängige Aufarbeitung: "Dass die, die Expertise in diesem Themenfeld haben und das ist ganz sicher auch mein Amt, gemeinsam mit dem Innenministerium und mit der Landespolitik, in dem Fall dann eben auch, dass man sich zusammensetzen muss und gemeinsam schauen muss, was sind denn die besten Wege, wie man dazu beitragen kann, dass solche Entgrenzungen künftig an einem solchen Stützpunkt nicht mehr vorkommen können".

Die Debatte zeigt: Im deutschen Spitzensport ist ein Kulturwandel nötig. Höchstleistungen und ein respektvoller Umgang mit jungen Athletinnen und Athleten müssen kein Widerspruch sein.

Quellen:

https://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/machtmissbrauch-im-kunstturnen-es-geht-auch-anders-wenn-man-will-110237775.html https://www.stern.de/sport/sportwelt/missstaende-im-kunstturnen--die-persoenliche-bilanz-einer-stern-autorin-35332040.html https://www.deutschlandfunk.de/turnen-skandale-missbrauch-gewalt-100.html https://www.stern.de/sport/turn-skandal-in-stuttgart--freigestellte-trainer-kehren-nicht-zurueck-35393978.html

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