19.10.2024
Migration in Deutschland: Herausforderungen und Chancen für eine inklusive Gesellschaft

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Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Einwanderungsland entwickelt, in dem mittlerweile knapp 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben. Diese Zahl verdeutlicht, dass Migration ein zentrales Thema der deutschen Gesellschaft ist. Dennoch bleibt die Erfahrung von Migranten oft unzureichend in der öffentlichen Wahrnehmung verankert. Mohammad Sarhangi, ein promovierter Historiker, hat in seinem Buch „Jahre der Angst, Momente der Hoffnung. Eine Gefühlsgeschichte der Migration“ versucht, diese Perspektive zu beleuchten.

Die persönliche Geschichte

Sarhangi selbst ist 1986 als kleiner Junge mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland geflohen, um dem Ersten Golfkrieg zu entkommen. Während die Asylanträge seiner Eltern bewilligt wurden, wurden die seiner Brüder abgelehnt, da die Behörden der Ansicht waren, dass den Kindern keine Gefahr drohe. Diese bürokratische Logik führte zu einer frühen Erfahrung der sozialen Exklusion für Sarhangi, als er auf einem Spielplatz von anderen Kindern abgelehnt wurde. „Mit Ausländerkindern spielen wir nicht“, lautete die Antwort, die für Sarhangi der Beginn eines langen Weges der Diskriminierung und Isolation war.

Die Angst, nicht in Deutschland bleiben zu dürfen, und die ständige Sorge, einen Fehler zu machen, prägten das Leben seiner Familie. Sarhangi beschreibt, wie sein Vater bis heute nervös wird, wenn er den Briefkasten öffnet, aus Angst vor negativen Nachrichten von den Behörden. Diese Erfahrungen sind nicht nur persönliche Erlebnisse, sondern spiegeln die Realität vieler Migranten wider, die in Deutschland leben.

Exil, Fremdheit und Diskriminierung

In seinem Buch analysiert Sarhangi, wie Exil, Fremdheit und Diskriminierung die Gefühle und Erfahrungen von Migranten prägen. Er versucht, die emotionale Dimension der Migration zu erfassen und den Lesern einen Einblick in die innere Welt der Migranten zu geben. Dabei wird jedoch deutlich, dass Sarhangi oft in einer akademischen Sprache verharrt, die es ihm schwer macht, eine breitere Leserschaft zu erreichen. Zitate und wissenschaftliche Referenzen dominieren den Text, was dazu führt, dass die persönliche Geschichte hinter der Analyse zurücktritt.

Die Herausforderung der Inklusion

Ein zentraler Punkt in Sarhangis Argumentation ist die Notwendigkeit einer „Politik der Geborgenheit“. Er fordert eine Inklusion sowohl in der sozialen als auch in der sachlichen Dimension. Dies ist ein hehres Ziel, das jedoch in der Realität oft schwer umzusetzen ist. Deutschland sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter ein Mangel an Sozialwohnungen, Lehrkräften und Kitaplätzen. Diese strukturellen Probleme erschweren es, die notwendigen Bedingungen für eine gelungene Integration zu schaffen.

Sarhangi stellt die Frage, was Menschen mit Migrationserfahrung benötigen, um sich in Deutschland zugehörig zu fühlen. Seine Antwort ist klar: Es braucht mehr als nur rechtliche Rahmenbedingungen; es bedarf eines tiefgreifenden Wandels in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und der politischen Praxis. Dennoch bleibt unklar, wie dieser Wandel konkret aussehen könnte und welche Schritte notwendig wären, um die geforderten Veränderungen herbeizuführen.

Die Realität der Migration

Ein weiterer Aspekt, den Sarhangi anspricht, ist die Wahrnehmung von Migranten in der deutschen Gesellschaft. Er kritisiert, dass Migranten oft als entmenschlichte Arbeitskräfte betrachtet werden, die nur dann akzeptiert werden, wenn sie einen Nutzen für die Gesellschaft bringen. Diese Sichtweise führt dazu, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund sich als Opfer einer Politik der Ablehnung und Ausgrenzung fühlen. Sarhangi beschreibt, wie die Erfahrungen von Ablehnung und Kränkung im Körper der Migranten verankert sind und wie diese Gefühle die Identität und das Selbstverständnis der Betroffenen prägen.

Die Realität der Migration in Deutschland ist vielschichtig und komplex. Während Sarhangi die negativen Aspekte der Migration beleuchtet, bleibt es wichtig, auch die positiven Erfahrungen und Erfolge von Migranten zu würdigen. Viele Menschen mit Migrationshintergrund tragen aktiv zur Gesellschaft bei, sei es in der Wirtschaft, im Bildungswesen oder in der Kultur. Diese Erfolge sollten nicht übersehen werden, wenn über Migration gesprochen wird.

Fazit

Mohammad Sarhangis Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über Migration in Deutschland. Es bietet einen persönlichen Einblick in die Herausforderungen, mit denen Migranten konfrontiert sind, und regt dazu an, über die Notwendigkeit einer inklusiven Gesellschaft nachzudenken. Dennoch bleibt die Frage, wie die geforderten Veränderungen in der Praxis umgesetzt werden können. Die Diskussion über Migration ist ein fortlaufender Prozess, der sowohl die Herausforderungen als auch die Chancen berücksichtigen muss, die mit der Migration verbunden sind.

Die Erfahrungen von Sarhangi sind ein eindringlicher Aufruf, die Stimmen der Migranten zu hören und ihre Geschichten ernst zu nehmen. Nur durch ein besseres Verständnis der individuellen und kollektiven Erfahrungen von Migranten kann eine Gesellschaft entstehen, die wirklich inklusiv ist und in der sich alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, zu Hause fühlen.

Quellen:

  • Süddeutsche Zeitung: „Wir tragen die Kränkungen im Körper“
  • Mohammad Sarhangi: „Jahre der Angst, Momente der Hoffnung. Eine Gefühlsgeschichte der Migration“
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