Am 3. August 2024 wurde in Kingston, Jamaika, ein bedeutender Wechsel in der Leitung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) vollzogen. Der bisherige Generalsekretär, Michael Lodge, konnte seine Wiederwahl nicht sichern. Stattdessen gewann die brasilianische Ozeanographin Leticia Carvalho die Wahl und wird ab dem kommenden Jahr das Amt übernehmen. Diese Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die zukünftige Regulierung des Tiefseebergbaus und den Schutz der marinen Umwelt haben.
Michael Lodge, ein britischer Anwalt, hatte sich um eine dritte Amtszeit beworben, sah sich jedoch mit Vorwürfen konfrontiert, die eine unangemessene Nähe zu kommerziellen Unternehmen betreffen, die im Bereich Tiefseebergbau tätig sind. Diese Vorwürfe haben die Debatte über die Integrität und Neutralität der ISA angeheizt, insbesondere in einer Zeit, in der der erste Antrag für eine Tiefseebergbau-Lizenz erwartet wird.
Die Wahl von Leticia Carvalho wird von vielen Umweltschützern als Chance gesehen, den Schutz der Ozeane zu stärken. In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Mitgliedstaaten der ISA, mittlerweile 32 von 168, für ein Moratorium zum Tiefseebergbau ausgesprochen. Diese Länder befürchten, dass der Abbau von Rohstoffen wie Manganknollen erhebliche negative Auswirkungen auf die empfindlichen marinen Ökosysteme haben könnte. Zu den Ländern, die sich für ein Moratorium ausgesprochen haben, gehört auch Deutschland.
Der Tiefseebergbau konzentriert sich hauptsächlich auf den Abbau von Manganknollen, die über Millionen von Jahren auf dem Meeresboden entstehen. Diese Knollen sind reich an wertvollen Rohstoffen wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel, die unter anderem für die Herstellung von Batterien für Elektroautos benötigt werden. Trotz der potenziellen wirtschaftlichen Vorteile gibt es ernsthafte Bedenken hinsichtlich der ökologischen Folgen. Experten warnen, dass der Abbau die noch weitgehend unerforschten Ökosysteme der Tiefsee gefährden könnte. Zudem wird die Notwendigkeit des Tiefseebergbaus in Anbetracht der Energiewende in Frage gestellt.
Trotz der bestehenden Bedenken kündigte der kanadische Konzern The Metals Company an, noch in diesem Jahr einen ersten Antrag für ein kommerzielles Tiefseebergbau-Projekt einzureichen. Das Unternehmen plant, 2026 mit dem Abbau im Pazifik zu beginnen. Angesichts der Tatsache, dass der ISA-Rat bislang kein Regelwerk für den Tiefseebergbau verabschiedet hat, bleibt die Frage offen, wie ein solcher Antrag behandelt werden könnte.
Mit der Wahl von Leticia Carvalho wird von vielen Seiten erwartet, dass sie die ISA in eine neue Richtung führen kann. Umweltschützer und Wissenschaftler hoffen, dass sie die Interessen der Industrie und den Schutz der Umwelt in Einklang bringen kann. Daniela Herrmann, Meeresexpertin bei Greenpeace, äußerte, dass es nun an Carvalho liege, zu beweisen, dass die ISA die Verpflichtung hat, den einzigen noch unberührten Lebensraum der Erde zu schützen. Die kommenden Jahre könnten entscheidend dafür sein, in welche Richtung sich die internationale Politik im Hinblick auf den Tiefseebergbau entwickeln wird.
Die Wahl von Leticia Carvalho als neue Chefin der Internationalen Meeresbodenbehörde markiert einen Wendepunkt in der Diskussion um den Tiefseebergbau. Angesichts der zunehmenden Umweltbedenken und der wachsenden Zahl der Länder, die sich gegen den Tiefseebergbau aussprechen, könnte Carvalho vor der Herausforderung stehen, einen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der marinen Umwelt zu finden. Die kommenden Entscheidungen der ISA werden entscheidend dafür sein, wie die Zukunft der Ozeane und ihrer Ressourcen gestaltet wird.
