19.10.2024
Neukurs der maritimen Industrie: Herausforderungen und Chancen auf der Schiffbaumesse SMM 2024

Maritime Industrie: Schiffbaumesse beginnt - was die Branche beschäftigt

Die internationale Schiffbaumesse SMM in Hamburg, die von Dienstag bis Freitag stattfindet, zieht erneut die Aufmerksamkeit der maritimen Industrie auf sich. Mit mehr als 2.000 Ausstellern und rund 40.000 Fachbesuchern wird sie als weltweit führende Messe der Branche angesehen. Die Veranstaltung bietet eine Plattform für den Austausch über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Innovationen im Schiffbau und in der Meerestechnik.

Marktentwicklung und Herausforderungen

Vor der Messe warnt der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) vor einem möglichen Kipppunkt in der Branche. Europa hat im Schiffbau seit langem Marktanteile verloren und einen erheblichen Teil der Industrie eingebüßt. Der VSM betont, dass die Branche leistungsfähig bleiben muss, um die maritime Kompetenz in Europa zu erhalten. Eine Lösung für die langfristige Entwicklung müsse auf europäischer Ebene gefunden werden.

Ein Vorschlag, der bereits 1997 von der EU-Kommission unterbreitet wurde, wird erneut aufgegriffen. Dieser sieht vor, Steuervergünstigungen und staatliche Garantien an die Bedingung zu knüpfen, dass Schiffe in Europa gebaut werden. Dies könnte ein Anreiz für die Werften sein, ihre Produktionskapazitäten in Europa zu halten und auszubauen.

Aktuelle Auftragslage

Trotz der Warnungen des VSM zeigt sich die aktuelle Auftragslage der deutschen Werften positiv. Im vergangenen Jahr lag der Wert der Auftragseingänge im Seeschiffbau bei etwa 2,6 Milliarden Euro, was einer Steigerung von annähernd 172 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zu den Aufträgen zählen Kreuzfahrtschiffe, Jachten und Handelsschiffe. Auch der Binnenschiffbau verzeichnete ein deutliches Plus.

Die zuvor eher niedrigen Weltmarktpreise für Neubauten steigen wieder an, was auf die Notwendigkeit der Reeder zurückzuführen ist, ihre Flotten zu modernisieren, um den Klimaschutzvorgaben gerecht zu werden. Hohe Energiekosten stellen jedoch ein Problem dar, da diese oft nicht auf die Kunden umgelegt werden können.

Stimmung in den Betrieben

Eine Umfrage der IG Metall Küste unter Betriebsräten von Werften und Zulieferern zeigt, dass die Stimmung in den Betrieben besser ist als im Vorjahr. In mehr als einem Drittel der befragten Unternehmen wird mit einer Verbesserung der Auftragslage in den nächsten zwei Jahren gerechnet. Nur in jedem zehnten Betrieb wird eine Verschlechterung der Situation erwartet.

Globale Position des deutschen Schiffbaus

Im globalen Kontext hat Deutschland beim Bau von Handelsschiffen, insbesondere Containerschiffen, nahezu keine Rolle mehr. Laut der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung entfielen im vergangenen Jahr nur 0,45 Prozent der weltweiten Produktion auf Deutschland. Die meisten Schiffe werden in Asien gebaut, wobei mehr als 80 Prozent aller Bestellungen nach Wert auf China und Südkorea entfallen. Japan bleibt ebenfalls ein wichtiger Standort für den Schiffbau.

Die deutsche Werftindustrie hat sich in den letzten Jahren zunehmend auf Hightech-Segmente spezialisiert. Im Bereich der Kreuzfahrtschiffe belegt Deutschland derzeit den zweiten Platz weltweit, hinter Italien. Zwischen 2011 und 2021 betrug der Anteil Deutschlands an der Kreuzfahrtschiffsproduktion 29,1 Prozent, wie eine Auswertung der OECD zeigt. Auch im Bau von Jachten hat die deutsche Industrie Erfolge erzielt.

Wirtschaftliche Bedeutung der Werften

Rund 60 Werften in Deutschland beschäftigten im vergangenen Jahr etwa 16.700 Mitarbeiter und erzielten einen Umsatz von 6,7 Milliarden Euro. Die privatwirtschaftlich geprägte Branche hat jedoch eine weitreichendere wirtschaftliche Bedeutung, als die Zahlen vermuten lassen. Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt, dass 100 Beschäftigte im Schiffbau gesamtwirtschaftlich 380 Stellen sichern, da die Werften mit Zulieferern zusammenarbeiten, die wiederum weitere Unternehmen beauftragen.

Die Zulieferindustrie für Schiffbau und Offshore beschäftigt rund 63.000 Mitarbeiter und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwa 11,3 Milliarden Euro. Die wichtigsten Standorte für die Zulieferindustrie sind Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, was zeigt, dass der Schiffbau nicht nur in den Küstenbundesländern von Bedeutung ist.

Trends und zukünftige Entwicklungen

Ein wachsender Markt sind Konverterplattformen für Offshore-Windparks. Diese Plattformen, die die Übertragung von Strom an Land verbessern sollen, könnten laut dem Bundeswirtschaftsministerium bis zu 2,5 Milliarden Euro kosten. Bis 2045 sollen in Deutschland mindestens 33 neue Plattformen entstehen, und mehrere Werften bereiten sich bereits auf den Bau dieser Anlagen vor.

Darüber hinaus beschäftigen sich erste Unternehmen mit dem Thema Schiffsrecycling, was durch einen erhöhten Bedarf an Stahlschrott vorangetrieben wird. Rechtliche Hürden bremsen jedoch viele Unternehmen in diesem Bereich. Zudem könnten Militäraufträge, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zugenommen haben, lukrativer sein als das Recycling alter Schiffe.

Die SMM 2024 in Hamburg wird somit nicht nur als Plattform für den Austausch von Innovationen und Technologien dienen, sondern auch als wichtiger Ort für die Diskussion über die Herausforderungen und Chancen, die die maritime Industrie in den kommenden Jahren prägen werden.

Quellen: Zeit Online, Süddeutsche Zeitung, Goslarsche Zeitung, Tageblatt, Nordschleswiger.

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