Nach dem Fund von Polioviren im Abwasser mehrerer deutscher Städte, darunter München, Bonn, Köln und Hamburg, mahnt das saarländische Gesundheitsministerium zur Überprüfung des Impfschutzes gegen Kinderlähmung, insbesondere bei Kindern. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, seien im Saarland viele, vor allem Kinder, nicht ausreichend gegen Polio geimpft. Obwohl derzeit keine unmittelbare Gefahr bestehe, sei die Überprüfung des eigenen Impfschutzes und des Impfschutzes von Kindern empfehlenswert. Der Fund der Polioviren in den Abwasserproben von vier deutschen Städten wurde unter anderem von der Zeit am 28. November 2024 gemeldet.
Das Robert Koch-Institut (RKI) bestätigte den Virusnachweis. Es handle sich jedoch nicht um den gefährlichen Wildtyp des Poliovirus, sondern um abgeschwächte Viren aus der oralen Polio-Schluckimpfung. Diese Impfung mit abgeschwächten, aber lebenden Viren ist vor allem in Asien und Afrika noch verbreitet. Vermutlich wurden die Erreger durch Personen eingeschleppt, die diese Impfung erhalten haben und die Viren bis zu sechs Wochen ausscheiden können. Das RKI schätzt das Risiko einer Erkrankung in Deutschland trotz der Virusfunde als gering ein, da die Impfquote bei 90 Prozent liege und die Hygienebedingungen gut seien. Dennoch seien bei anhaltender Zirkulation der Erreger einzelne Erkrankungen bei unzureichend geschützten Personen möglich. Auch in London und New York wurden laut Stern ähnliche Funde von Polioviren im Abwasser gemeldet. Die Ärzte Zeitung berichtete im August 2024 über einen Polio-Fall bei einem ungeimpften Säugling im Gazastreifen, nachdem dort ebenfalls Polioviren im Abwasser entdeckt worden waren.
Abgeschwächte Polioviren aus der Schluckimpfung können, wie das Science Media Center am 18. August 2022 berichtete, unter ungeimpften Personen lange unerkannt zirkulieren und Mutationen entwickeln, die sie wieder gefährlich machen. In seltenen Fällen können Lähmungen die Folge sein. Deutschland empfiehlt daher seit 1998 die Impfung mit einem inaktivierten Polio-Impfstoff (IPV). Die Schluckimpfung wird international weiterhin verwendet, da sie kostengünstiger ist, vor Übertragung schützt und auch auf andere Personen im Umfeld übertragen werden kann. Niedrige Impfquoten erhöhen jedoch das Risiko, dass eingeschleppte Impfviren sich ausbreiten, verändern und dann Ungeimpfte infizieren. Das österreichische Sozialministerium unterstreicht die Wirksamkeit der Polio-Impfung und empfiehlt sie im Rahmen des Impfplans.
Quellen:
- Zeit Online: https://www.zeit.de/news/2024-11/28/erreger-im-abwasser-ministerium-erinnert-an-polio-impfung
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/wissen/gesundheit-erreger-im-abwasser-ministerium-erinnert-an-polio-impfung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-241128-930-302424
- Trierischer Volksfreund: https://www.volksfreund.de/region/rheinland-pfalz/erreger-im-abwasser-ministerium-erinnert-an-polio-impfung_aid-121590181
- Radio Salü: https://www.salue.de/nachrichten/message-212687.phtml
- Ärzte Zeitung: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Ministerium-Erster-Polio-Fall-im-Gazastreifen-452063.html
- Science Media Center: https://www.sciencemediacenter.de/angebote/polioviren-in-abwasseruntersuchungen-22120
- Österreichisches Sozialministerium: https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Kinderlähmung-(Poliomyelitis).html
- Zeit Online: https://www.zeit.de/gesundheit/2024-07/gaza-poliovirus-hamas