Der seit 2011 anhaltende Bürgerkrieg in Syrien erlebt eine weitere Eskalation. Eine Offensive von Rebellen im Nordwesten des Landes setzt Präsident Baschar al-Assad unter Druck, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet. Die Rebellenallianz, angeführt von der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), konnte in kurzer Zeit Gebietsgewinne erzielen, darunter auch die strategisch wichtige Stadt Aleppo. Assad, unterstützt von Russland und dem Iran, kündigte eine Gegenoffensive an und bekräftigte gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, seine Entschlossenheit, die als „Terrorattacken“ bezeichneten Angriffe zurückzuschlagen. Der iranische Außenminister, Abbas Araghtschi, reiste laut der iranischen Nachrichtenagentur Irna nach Damaskus, um die Situation mit seinem syrischen Amtskollegen zu besprechen.
Die HTS, Nachfolger der Al-Nusra-Front, einem ehemaligen syrischen Ableger von Al-Kaida, konzentriert ihre Aktivitäten laut dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) auf Syrien. Trotz ihrer öffentlichen Abspaltung von Al-Kaida im Jahr 2016 wird die HTS weiterhin als Terrororganisation eingestuft und verfolgt eine salafistisch-dschihadistische Ideologie.
Russland reagierte auf die Rebellenoffensive mit Luftschlägen. Oleg Ignasjuk, stellvertretender Leiter der russischen Mission in Syrien, erklärte gegenüber der Staatsagentur Tass, dass dabei ungefähr 300 Kämpfer getötet worden seien. Angegriffen wurden laut seinen Angaben Befehlsstellen, Artilleriestellungen und Lager der Rebellen. Diese Angaben konnten jedoch nicht unabhängig verifiziert werden. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihre Informationen von einem Netzwerk von Informanten vor Ort bezieht, berichtete von neun russischen Luftangriffen auf Orte in der Provinz Idlib. Auch die syrische Armee flog Angriffe.
Russland unterstützt die syrische Regierung seit 2015 militärisch und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Assad seine Macht festigen konnte. Moskau stationiert Kampfflugzeuge und Hubschrauber auf dem Flughafen Hmeimim und unterhält ein Truppenkontingent in der Hafenstadt Tartus.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete seit Beginn der Rebellenoffensive mindestens 327 Tote, darunter auch Zivilisten. Die US-Regierung sieht die Verwundbarkeit des syrischen Regimes in der Abhängigkeit von Russland und dem Iran sowie in Assads Weigerung begründet, sich auf einen politischen Prozess zur Beendigung des Krieges einzulassen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Sean Savett, betonte, die USA hätten mit der Offensive nichts zu tun.
Aleppo, eine symbolträchtige Stadt, war bereits in den ersten Jahren des Bürgerkriegs Schauplatz heftiger Kämpfe. 2016 wurden die Rebellen mit Unterstützung Russlands und des Irans aus den östlichen Stadtteilen vertrieben. Die zwischen 2012 und 2016 fast vollständig zerstörte Stadt konnte teilweise wieder aufgebaut werden und zählt heute etwa 2,5 Millionen Einwohner. Die aktuelle Offensive stellt den ersten Angriff der Assad-Gegner auf die Stadt seit 2016 dar. Der Nahost-Experte Daniel Gerlach befürchtet angesichts der erwarteten Gegenoffensive blutige Kämpfe. Er hält es für möglich, dass die Regierung aufgrund ihrer für Häuserkämpfe ausgerüsteten Einheiten wieder die Oberhand gewinnt. Die Strategie, sich zunächst zurückzuziehen und dann mit erfahrenen Einheiten zurückzuschlagen, sei in den vergangenen Jahren wiederholt beobachtet worden.
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