19.10.2024
Rechtsstaatlichkeit in der EU: Ficos Ansatz im Vergleich zu Orbán

Rechtsstaatsverstöße in der EU: Fico auf den Spuren von Orbán

In der Europäischen Union (EU) ist die Rechtsstaatlichkeit ein zentrales Anliegen, das mit der Unabhängigkeit der Justiz, der Korruptionsbekämpfung und der Medienvielfalt eng verknüpft ist. Die jüngsten Entwicklungen in der Slowakei unter Premierminister Robert Fico werfen jedoch Fragen auf, die an die Situation in Ungarn unter Viktor Orbán erinnern. Diese Parallelen werden besonders deutlich, wenn man die Berichte der EU-Kommission zur Rechtsstaatlichkeit betrachtet, die regelmäßig die Lage in den Mitgliedstaaten analysiert.

Der Bericht der EU-Kommission

Vor Kurzem präsentierte die EU-Kommission ihren neuesten Bericht über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Europa. Der Bericht umfasst über tausend Seiten und befasst sich nicht nur mit den bestehenden Mitgliedstaaten, sondern auch mit den Beitrittskandidaten Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Im Fokus stehen dabei die Fortschritte und Rückschritte in den jeweiligen Ländern, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der rechtsstaatlichen Prinzipien.

Die Kommission hat verschiedene Mittel zur Verfügung, um Rechtsstaatsverstöße zu ahnden. Das stärkste Instrument ist das Artikel-7-Verfahren, das theoretisch den Entzug des Stimmrechts eines Mitgliedstaates zur Folge haben kann. Ungarn ist derzeit das einzige Land, gegen das dieses Verfahren aktiv ist. Zudem kann die Kommission Vertragsverletzungsverfahren einleiten und Haushaltsgelder sperren. Der Rechtsstaatsbericht dient als Vorwarnsystem und enthält Empfehlungen, die die Grundlage für den Dialog zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten bilden.

Fico und Orbán: Eine problematische Allianz?

Robert Fico, der im Jahr 2023 erneut zum Ministerpräsidenten der Slowakei gewählt wurde, hat sich in der Vergangenheit häufig mit Viktor Orbán getroffen. Diese wiederholten Treffen lassen den Eindruck entstehen, dass Fico von Orbán lernt, wie man mit der EU umgeht und die eigenen Interessen durchsetzt. Orbáns Regierung wird seit Jahren für ihre Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz kritisiert, was viele in der EU besorgt. Fico scheint ähnliche Wege zu beschreiten, indem er einen nationalistischen Kurs verfolgt und sich gegen die Vorgaben der EU stellt.

In einem kürzlichen Interview äußerte Fico, dass die Visegrad-Gruppe, bestehend aus Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei, das geeignete Format sei, um Lösungen für die aktuellen Herausforderungen in der Region zu finden. Dabei kritisierte er die EU und behauptete, dass die Zusammenarbeit innerhalb der V4-Gruppe absichtlich „deaktiviert“ worden sei. Diese Rhetorik erinnert stark an die von Orbán, der oft die EU für die Probleme Ungarns verantwortlich macht.

Reaktionen aus der EU

Die Reaktionen auf Ficos Politik und seine Nähe zu Orbán sind gemischt. Während einige EU-Beamte besorgt sind über die Entwicklungen in der Slowakei und die Möglichkeit, dass Fico ähnliche autoritäre Tendenzen zeigt wie Orbán, gibt es auch Stimmen, die darauf hinweisen, dass Fico eine andere Strategie verfolgt, die sich stärker an den Bedürfnissen seiner Wählerschaft orientiert.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, musste sich während ihrer Bewerbung um eine zweite Amtszeit kritischen Fragen stellen, insbesondere in Bezug auf ihren Umgang mit Orbán und die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Ihr wurde vorgeworfen, zu nachsichtig mit Orbán zu sein und die Situation in Ungarn nicht ausreichend zu adressieren. Gleichzeitig wurde spekuliert, dass sie den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit verschoben hat, um Giorgia Meloni, die italienische Regierungschefin, vor den anstehenden Wahlen nicht zu brüskieren.

Ungarn: Kein Fortschritt

Der Bericht der EU-Kommission stellte fest, dass Ungarn in den letzten Jahren „keinen Fortschritt“ bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit gemacht hat. Dies wirft Fragen auf, wie die Kommission mit der ungarischen Regierung umgehen wird, insbesondere im Hinblick auf die Freigabe von EU-Fördermitteln. Der Bericht hat die Möglichkeit eines Dialogs zwischen der Kommission und Ungarn angesprochen, jedoch bleibt abzuwarten, ob dies zu konkreten Maßnahmen führen wird.

Ausblick auf die Zukunft

Die Entwicklungen in der Slowakei und Ungarn könnten weitreichende Konsequenzen für die EU haben, insbesondere wenn Fico weiterhin einen autoritären Kurs verfolgt. Die EU steht vor der Herausforderung, einen einheitlichen Ansatz zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedstaaten zu finden. Es bleibt abzuwarten, wie die Kommission auf die Situation reagieren wird und ob sie in der Lage ist, Druck auf Regierungen auszuüben, die die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen.

Ficos Politik könnte auch Einfluss auf andere Mitgliedstaaten haben, die ähnliche Tendenzen zeigen. Insbesondere wenn er sich weiterhin auf Orbáns Strategien stützt, könnte dies zu einer Schwächung der EU und ihrer Grundwerte führen. In Anbetracht der aktuellen geopolitischen Herausforderungen, einschließlich der Situation in der Ukraine und der Beziehungen zu Russland, wird die Frage der Rechtsstaatlichkeit in der EU zunehmend dringlicher.

Fazit

Die Situation in der Slowakei unter Robert Fico und die Entwicklungen in Ungarn unter Viktor Orbán verdeutlichen die Herausforderungen, vor denen die EU steht, wenn es um die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit geht. Die EU-Kommission muss entschlossen handeln, um sicherzustellen, dass die Grundwerte der Union nicht untergraben werden. Gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten, die auf autoritäre Tendenzen setzen, zur Verantwortung gezogen werden. Andernfalls könnte die Glaubwürdigkeit der EU als Verteidigerin der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte ernsthaft in Frage gestellt werden.

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