19.10.2024
Reform der Filmförderung in Deutschland neue Perspektiven für die Branche
Schluss mit dem Fördertourismus! Martin Hagemann über die Reform der Filmförderung

Schluss mit dem Fördertourismus! Martin Hagemann über die Reform der Filmförderung

In den letzten Jahren hat die Diskussion um die Filmförderung in Deutschland an Intensität zugenommen. Produzenten und Fachleute aus der Filmindustrie fordern eine grundlegende Reform des bestehenden Fördersystems, um die Qualität deutscher Filme zu steigern und den Herausforderungen der modernen Medienlandschaft gerecht zu werden. Martin Hagemann, ein erfahrener Produzent und Professor für Film- und Fernsehproduktion, äußert sich zu den aktuellen Entwicklungen und den notwendigen Veränderungen.

Die aktuelle Situation der Filmförderung

Das deutsche Fördersystem ist komplex und besteht aus zahlreichen Töpfen, die sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene bereitgestellt werden. Jährlich fließen mehr als 400 Millionen Euro in die Filmförderung, die jedoch nicht immer zu einer Verbesserung der Filmqualität führen. Hagemann beschreibt die derzeitige Förderpolitik als reaktiv, wobei oft nur auf die lautesten Forderungen reagiert wird, ohne das System als Ganzes zu betrachten.

In den letzten 25 Jahren wurde das Fördersystem vor allem durch punktuelle Lösungen geprägt, die häufig nur als kurzfristige Pflaster fungieren. Dies hat dazu geführt, dass das Fördersystem für die Urheber und Produzenten immer unübersichtlicher geworden ist. Hagemann hebt hervor, dass die Anzahl der im Kino gestarteten Filme zwar gestiegen ist, jedoch die Budgets nicht entsprechend gewachsen sind. Dies führt zu einer Vielzahl von mittelmäßigen Filmen, die oft nicht die notwendige Finanzierung erhalten, um qualitativ hochwertig produziert zu werden.

Der Einfluss von Streaming-Plattformen

Ein weiterer kritischer Punkt ist das schwindende Interesse der öffentlich-rechtlichen Sender an Kinofilmen, die in der Vergangenheit eine wichtige Finanzierungsquelle darstellten. Mit dem Aufkommen von Streaming-Plattformen kam es zu einem „creative drain“, der die Kinofilmproduktion in Deutschland negativ beeinflusste. Hagemann spricht von einer besonderen Herausforderung für die Urheber und Produzenten, die nach der Pandemie vor der Notwendigkeit stehen, sich neu zu orientieren.

Die Reform der Filmförderung wird als notwendig erachtet, um die verschiedenen Förderstrukturen und Marktfinanzierungen besser miteinander zu verknüpfen. Hagemann betont, dass es wichtig sei, dass die unterschiedlichen Förderungen in einem Projekt zusammenarbeiten, um die Chancen auf qualitativ hochwertige Filme zu erhöhen.

Die geplante Neuausrichtung der Filmförderung

Die aktuelle Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) wird von vielen als „großer Wurf“ angesehen. Die Bundesregierung plant, ein Steueranreizmodell einzuführen und eine Investitionsverpflichtung für Streaming-Dienste und Fernsehanstalten gesetzlich festzulegen. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass die großen Player im Markt stärker zur Finanzierung deutscher Filme beitragen.

Hagemann erklärt, dass das Filmfinanzierungssystem in Deutschland eine Public-private-Partnership-Struktur aufweist. Die großen Partner der Filmindustrie, wie Verleiher und Vertriebe, sowie die öffentlich-rechtlichen Sender und die neuen Streaming-Dienste, spielen eine entscheidende Rolle in der Finanzierung von Projekten. Es ist entscheidend, dass diese Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen, um die Filmproduktion in Deutschland zu stärken.

Die Herausforderungen der Reform

Trotz der positiven Ansätze gibt es auch Herausforderungen bei der Umsetzung der Reform. Hagemann weist darauf hin, dass jede Novellierung des FFG in der Vergangenheit oft in einer Kakophonie unterschiedlichster Interessen unterging. Um die Reform erfolgreich zu gestalten, ist es wichtig, einen konsensorientierten Ansatz zu verfolgen, der die verschiedenen Interessen der Beteiligten berücksichtigt.

Die Filmindustrie muss sich zudem anpassen, um den sich ständig verändernden Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Hagemann betont die Notwendigkeit einer langfristigen Strategie, die nicht nur auf kurzfristige Erfolge abzielt, sondern auch die nachhaltige Entwicklung der Branche im Blick hat.

Fazit

Die Reform der Filmförderung in Deutschland steht vor der Herausforderung, ein ausgewogenes und effektives System zu schaffen, das sowohl die Interessen der Produzenten als auch die der Förderinstitutionen berücksichtigt. Martin Hagemann sieht in der geplanten Neuausrichtung eine Chance, das Fördersystem zu modernisieren und die Qualität deutscher Filme zu steigern. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, ob die angestrebten Reformen tatsächlich die gewünschte Wirkung entfalten und die Filmförderung in Deutschland auf ein neues Level heben können.

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