September 16, 2024
Reichsbürgerprozess in Stuttgart: Bedrohungen und Strukturen einer extremistischen Bewegung

Reichsbürger vor Gericht: Wie gefährlich war der „militärische Arm“ der Gruppe Reuß?

Im Rahmen eines umfassenden Staatsschutzverfahrens gegen die sogenannte Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß steht der „militärische Arm“ dieser Gruppierung vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Die Richter versuchen, zentrale Fragen zu klären, die sowohl die Aktionsfähigkeit der Gruppe als auch die Mitgliedschaft der Angeklagten in einer terroristischen Vereinigung betreffen. Ein entscheidender Aspekt ist die Rolle des Angeklagten Markus L., der am 22. März 2023 nach einem gewaltsamen Vorfall in Reutlingen festgenommen wurde.

Markus L., ein Industriemechaniker, wurde von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) in einem heftigen Schusswechsel gefasst. Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) berichteten vor Gericht, dass L. eine „Verschwiegenheitserklärung“ unterzeichnet hatte, die bei einer Durchsuchung entdeckt wurde. Diese Erklärung war Teil der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, die schließlich zu seiner Festnahme führte. Bei der Durchsuchung wurden auch Waffen und Sprengstoff gefunden, für die L. eine Besitzerlaubnis hatte.

Die Struktur und Organisation der „Heimatschutzkompanie“

Die „Heimatschutzkompanie“, die Teil der Reuß-Gruppe ist, hat sich als gut organisiert erwiesen. Nach den bisherigen Erkenntnissen des Verfahrens gibt es in Baden-Württemberg einen hohen Organisationsgrad. Diese Teilorganisation plant, im Falle eines Umsturzes die Kontrolle über die Sicherheitskräfte zu übernehmen. Regelmäßige Treffen zur Begutachtung von Waffen und die Rekrutierung von Mitgliedern sind Teil ihrer Strategie. Es wird geschätzt, dass mehr als 20 Personen aktiv an diesen Aktivitäten beteiligt sind.

Die Ermittlungen zeigen, dass die Gruppe nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in anderen Bundesländern aktiv ist. So wurden Anfang Juni 2023 von der Eliteeinheit GSG-9 in Althengstett die Räumlichkeiten eines Ehepaares durchsucht, das den mutmaßlichen Rädelsführer Rüdiger von Pescatore unterstützt haben soll. Pescatore steht ebenfalls wegen seiner Rolle in der rechtsextremen Gruppierung vor Gericht.

Die Gefährlichkeit der Reichsbürgerbewegung

Die Reichsbürgerbewegung ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz zählte die Szene Ende 2022 etwa 23.000 Personen, von denen rund 2.300 als gewaltbereit eingestuft werden. Diese Zahlen verdeutlichen das Potenzial der Bewegung und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken. Innenministerin Nancy Faeser hat wiederholt betont, dass die Sicherheitsbehörden alles daran setzen, gewaltbereite Extremisten zu entwaffnen und deren Strukturen zu zerschlagen.

Die Ideologie der Reichsbürger ist geprägt von einer tiefen Ablehnung der bestehenden demokratischen Ordnung. Sie glauben, dass Deutschland von einem sogenannten „Deep State“ regiert wird, den es zu bekämpfen gilt. Diese Überzeugungen haben zu gewaltsamen Übergriffen und Plänen für einen Umsturz geführt, die in den letzten Jahren immer konkreter wurden.

Der Prozess und die Vorwürfe

Der Prozess gegen die Reuß-Gruppe ist einer der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Anklage wirft den Mitgliedern der Gruppe vor, einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant zu haben. Zu den konkreten Vorwürfen gehört der Versuch, in das Reichstagsgebäude einzudringen und Abgeordnete des Bundestages zu entführen. Dabei sollte Heinrich XIII. Prinz Reuß als provisorisches Staatsoberhaupt fungieren.

Die Anklage stützt sich auf umfangreiche Ermittlungsakten, die mehr als 700 Stehordner mit rund 400.000 Blatt umfassen. Die Vorwürfe reichen von der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bis hin zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Der Prozess wird voraussichtlich bis Januar 2025 in 48 Verhandlungstagen fortgesetzt.

Die Rolle der ehemaligen Militärs

Ein zentraler Aspekt der Reuß-Gruppe ist die Einbindung ehemaliger Militärs und Sicherheitskräfte. Einige der Angeklagten, darunter Maximilian Eder, ein ehemaliger Oberst der Bundeswehr, sollen eine führende Rolle im „militärischen Arm“ der Gruppe gespielt haben. Eder wird vorgeworfen, an der Planung von Schießübungen und der Rekrutierung von Mitgliedern beteiligt gewesen zu sein. Diese Aktivitäten zielen darauf ab, eine kampfbereite Truppe für den geplanten Umsturz zu schaffen.

Die Gruppe plante die Bildung von insgesamt 286 sogenannten Heimatschutzkompanien, die während eines Umsturzes aktiv werden sollten. Diese Kompanien sollten nicht nur die Kontrolle über staatliche Institutionen übernehmen, sondern auch in der Lage sein, gewaltsame Aktionen durchzuführen.

Fazit

Der Prozess gegen die Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß wirft grundlegende Fragen zur Sicherheit und Stabilität der demokratischen Ordnung in Deutschland auf. Die Verbindungen zwischen ehemaligen Militärs und der extremistischen Bewegung sowie die geplanten gewaltsamen Umsturzaktionen verdeutlichen die potenzielle Gefahr, die von dieser Gruppierung ausgeht. Die kommenden Verhandlungstage werden entscheidend sein, um die Strukturen und die Gefährlichkeit dieser Bewegung weiter zu beleuchten.

Die Gesellschaft steht vor der Herausforderung, die Ideologien und Netzwerke, die solche extremistischen Bestrebungen fördern, zu erkennen und zu bekämpfen. Die Sicherheitsbehörden sind gefordert, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und die demokratische Ordnung zu verteidigen.

Quellen: FAZ, ZDF, DW

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