19.10.2024
Riefenstahl im Fokus: Ein Dokumentarfilm über Kunst und Verantwortung

Dokumentarfilm über Leni Riefenstahl in Venedig: Hitlers Bilderqueen, privat

Die Weltpremiere des Dokumentarfilms „Riefenstahl“ von Andres Veiel fand im Rahmen der Filmfestspiele in Venedig statt und beleuchtet die komplexe und umstrittene Figur der Leni Riefenstahl. Der Film nutzt den umfangreichen Nachlass der Regisseurin, der seit 2018 im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist, um Riefenstahls Verhältnis zum nationalsozialistischen Regime zu analysieren. Produziert von Sandra Maischberger, bietet der Film einen tiefen Einblick in das Leben und die Karriere einer Frau, die sowohl als innovative Filmemacherin als auch als Propagandistin für Adolf Hitler bekannt wurde.

Riefenstahl, die von 1902 bis 2003 lebte, ist vor allem für ihre Filme „Triumph des Willens“ und „Olympia“ bekannt, die sie während der NS-Zeit drehte. Diese Werke wurden nicht nur für ihre ästhetische Qualität gelobt, sondern auch für ihre Rolle als Propaganda im Dienst des Regimes kritisiert. Der neue Dokumentarfilm zeigt, wie Riefenstahl ihre eigene Geschichte manipulierte und sich selbst inszenierte, während sie gleichzeitig die dunkle Realität ihrer Vergangenheit verdrängte.

Eine der zentralen Thesen des Films ist, dass Riefenstahl trotz ihrer Behauptungen, unpolitisch gewesen zu sein, tief in die Ideologie des Nationalsozialismus verwickelt war. Regisseur Veiel verweist auf ein Interview aus dem Jahr 1934, in dem Riefenstahl zugibt, Hitlers „Mein Kampf“ gelesen zu haben und sich bereits nach den ersten Seiten für den Nationalsozialismus begeistert zu haben. Diese Enthüllung stellt die von Riefenstahl sorgfältig konstruierte Legende einer unpolitischen Künstlerin in Frage und zeigt, dass sie sich aktiv für das Regime engagierte.

Der Film enthält auch private Aufnahmen und Telefonate, die Riefenstahls Beziehungen zu prominenten Nationalsozialisten wie Joseph Goebbels beleuchten. In einer Szene erzählt sie, wie Goebbels sie umwarb, jedoch verneint sie, jemals in seiner Villa gewesen zu sein. Diese Widersprüche und ihre aggressive Abwehrhaltung, wenn sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird, zeichnen ein Bild einer Frau, die sich ihrer Verantwortung nicht stellen möchte.

Die Dokumentation geht auch auf Riefenstahls schwierige Beziehung zu ihrem Vater und ihre spätere Liaison mit dem 40 Jahre jüngeren Horst Kettner ein. Diese persönlichen Aspekte ihres Lebens werden genutzt, um die Komplexität ihrer Persönlichkeit zu verdeutlichen. Riefenstahl wird als eine Meisterin der Selbstinszenierung dargestellt, die es verstand, ihre öffentliche Wahrnehmung zu kontrollieren und zu manipulieren.

Ein weiteres zentrales Thema des Films ist die Frage der Verantwortung. Riefenstahl wurde nach dem Krieg als „Mitläuferin“ eingestuft und konnte trotz ihrer Verstrickungen im nationalsozialistischen Filmgeschäft weiterhin arbeiten, was die Debatte über ihre Rolle und die der Künstler im Dritten Reich neu entfacht. Der Film stellt die Frage, inwieweit Künstler für ihre Werke und deren Verwendung in der Propaganda verantwortlich gemacht werden können.

„Riefenstahl“ wird am 31. Oktober in die Kinos kommen und bietet nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, sondern auch einen tiefen Einblick in die Psyche einer der umstrittensten Figuren der Filmgeschichte. Die Dokumentation fordert die Zuschauer auf, die komplexen Zusammenhänge zwischen Kunst, Macht und Verantwortung zu reflektieren und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir mit den Erben der Vergangenheit umgehen.

Die Reaktionen auf den Film sind gemischt, wobei einige Kritiker die künstlerische Auseinandersetzung mit Riefenstahl als notwendig erachten, während andere die Gefahr einer Verharmlosung ihrer Rolle im Nationalsozialismus sehen. Die Diskussion über Riefenstahl und ihre Filme bleibt ein sensibles Thema, das auch in der heutigen Gesellschaft relevant ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Dokumentarfilm „Riefenstahl“ von Andres Veiel eine wichtige Ergänzung zur bestehenden Literatur und Filmografie über Leni Riefenstahl darstellt. Er bietet neue Perspektiven und Informationen, die es den Zuschauern ermöglichen, sich intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen und die komplexen Fragen der Verantwortung und der künstlerischen Integrität zu hinterfragen.

Der Film ist ein eindringlicher Appell, die Vergangenheit nicht zu vergessen und sich kritisch mit den Figuren auseinanderzusetzen, die in der Geschichte sowohl bewundert als auch verachtet werden.

Quellen: Süddeutsche Zeitung, Deutschlandfunk Kultur, taz.

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