Deutschlands Digitalisierungsstrategie steht in der Kritik, und die Unzufriedenheit darüber reicht bis ins zuständige Ministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hinein. Wie die F.A.Z. am 05.12.2024 berichtete, fordert Staatssekretär Stefan Schnorr ein unabhängiges Ministerium für Digitales und Innovation (BMDI) mit eigenem Budget und einer unterstützenden Digitalagentur. Diese Agentur soll Prozesse steuern, Software entwickeln und Schulungen anbieten.
Die Forderung nach einem eigenständigen Digitalministerium ist nicht neu und wird seit Jahren von Verbänden und Digitalpolitikern erhoben. Besonders brisant ist jedoch, dass die Kritik nun aus dem BMDV selbst kommt und dessen aktuelle Struktur infrage stellt. Schnorr, so die F.A.Z., plädiert für eine Konzentration auf die Digitalisierung des Staates, unabhängig von den Herausforderungen im Verkehrsbereich, wie beispielsweise der Bahnsanierung.
Ein weiteres Problemfeld sind die unklaren Zuständigkeiten im Bereich der Digitalisierung. Verschiedene Ministerien (Wirtschaft, Justiz, Digitales und Forschung) sind für Themen wie Netzausbau, Digitalisierung der Verwaltung und Künstliche Intelligenz zuständig. Schnorr spricht sich für eine Bündelung dieser Aufgaben aus. Die F.A.Z. vermutet, dass Minister Wissing Schnorrs Ansicht teilt, obwohl dieser seine Aussage als persönliche Meinung bezeichnet.
Die Gründung des BMDV zu Beginn der Legislaturperiode galt als Durchbruch, da die Digitalisierung erstmals im Namen eines Ministeriums Erwähnung fand. Zuvor war Dorothee Bär als Staatsministerin im Kanzleramt mit deutlich weniger Personal für die Digitalisierung zuständig. Die damalige „Fortschrittsregierung“ hatte die Digitalisierung als Priorität gesetzt. Die Realität sah jedoch anders aus: Der Verkehrsbereich rückte in den Vordergrund. Die Corona-Pandemie verdeutlichte zwar die Defizite der digitalen Verwaltung, doch die Digitalisierung geriet, laut F.A.Z., ins Hintertreffen.
Der schleppende Digitalisierungsfortschritt ist nicht allein auf Koalitionsstreitigkeiten zurückzuführen. Schnorr betont die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Ressorts, sieht aber ein Problem im fehlenden Engagement einiger Ministerien. So schickten einige Häuser, laut F.A.Z., zu den Staatssekretärsrunden lediglich Abteilungs- oder Referatsleiter, was auf eine niedrige Priorisierung der Digitalisierung hindeutet. Darüber hinaus werden Digitalisierungsprojekte bei knappen Kassen oft als erstes gestrichen.
Die mangelnde Digitalisierung manifestiert sich in verschiedenen Bereichen: Es fehlt ein digitaler Auszahlungsmechanismus für staatliche Hilfen, viele Register sind nicht digitalisiert und der Datenaustausch zwischen Behörden ist unzureichend. Das Prinzip „Once Only“ ist, laut F.A.Z., in weiter Ferne.
Die Unzufriedenheit mit der Digitalpolitik ist weit verbreitet. Eine Bitkom-Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass 72 Prozent der Wahlberechtigten den Politikern mangelnde Digitalkompetenz vorwerfen. Auch der eco-Verband stellte 2024 in einer Umfrage fest, dass 86 Prozent der Deutschen mit der Digitalpolitik der Bundesregierung unzufrieden sind. Besonders die digitale Verwaltung, die Infrastruktur und die Cybersicherheit werden kritisiert. Der dbb beamtenbund und tarifunion berichtete 2023, dass 42 Prozent der Deutschen mit der digitalen Verwaltung unzufrieden sind. Auch eine FDP-Umfrage von 2021 zeigte eine wachsende Unzufriedenheit mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) diskutiert in einer Publikation die Vor- und Nachteile eines eigenständigen Digitalministeriums und schlägt alternativ eine Stärkung der digitalpolitischen Koordination im Kanzleramt vor.
Quellen: