Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, umgangssprachlich die „Wirtschaftsweisen“, sieht sich zunehmender Kritik ausgesetzt. Wie die F.A.Z. am 13.11.2024 berichtete, mangelt es dem Rat an einer klaren ordnungspolitischen Linie. Die nüchterne Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Stagnation Deutschlands, die unter anderem auf die sinkende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zurückgeführt wird, lässt konkrete Handlungsempfehlungen vermissen.
Die F.A.Z. kritisiert, dass der Rat zwar die Kostensteigerungen und die schwache Produktivitätsentwicklung als Ursachen für die schwächere Wettbewerbsfähigkeit identifiziert, aber keine konkreten Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik oder die Lohnpolitik zieht. Frühere Appelle für eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik fehlen im aktuellen Gutachten.
Stattdessen konzentriert sich der Rat, so die F.A.Z., auf die Frage, wie der Staat zielgerichteter in Infrastruktur, Verteidigung und Bildung investieren kann. Vorschläge wie die Einrichtung eines Sonderfonds für Infrastruktur und die Festlegung von Mindestausgabenquoten für Verteidigung und Bildung werden als zu simpel kritisiert, da sie die grundsätzliche Problematik der Staatsausgaben nicht ausreichend adressieren.
Die Ökonomin Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats, vertritt laut F.A.Z. eine Minderheitenmeinung und plädiert für einen Rückzug des Staates aus Wirtschaftsbereichen, die nicht zu den Kernaufgaben gehören. Dies würde Spielräume für wichtige Investitionen und Wachstum schaffen. Die F.A.Z. bedauert, dass diese ordnungspolitische Perspektive im Rat insgesamt zu wenig Beachtung findet.
Auch WELT Online kommentierte am 10.11.2021 die „fatale Schwäche“ des Sachverständigenrats. Die fehlende Einigkeit in zentralen Fragen, wie dem Umgang mit der Schuldenbremse, wird als problematisch dargestellt. Die Uneinigkeit im Rat wird auf das Ausscheiden des früheren Vorsitzenden Lars Feld zurückgeführt, der als wirtschaftsliberale Stimme galt. WELT sieht den Sachverständigenrat in seiner aktuellen Form als obsolet an.
Die tagesschau berichtete am 30.01.2024 über die Forderung der Wirtschaftsweisen nach einer Reform der Schuldenbremse. Das Gremium kritisiert die derzeitigen Regelungen als zu starr und ökonomisch ineffizient. Insbesondere die fehlende Übergangsregelung nach einer Notlage, die niedrige Verschuldungsgrenze und die konjunkturabhängige Komponente werden als problematisch angesehen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnte eine Lockerung der Schuldenbremse ab.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 9. Oktober 2024 über einen Rechtsstreit innerhalb des Sachverständigenrats. Veronika Grimm klagt gegen einen Verhaltenskodex, der aufgrund ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat von Siemens Energy eingeführt wurde. Der Konflikt verdeutlicht die Spannungen innerhalb des Gremiums.
Der Wirtschaftsdienst diskutierte bereits 2015 die Frage der Politiknähe des Sachverständigenrats. Der Rat sieht seine Aufgabe in der kritischen und unabhängigen Begleitung der Regierung und der Vermittlung ökonomischer Zusammenhänge an die Öffentlichkeit. Die Kritik aus der Politik wird als Ausdruck eines Unbehagens über die Ergebnisse der Analysen des Rates interpretiert.
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