Die Diskussion über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine wird durch die Entscheidung der USA, Kiew den Einsatz von Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland zu erlauben, neu befeuert. Wie die Süddeutsche Zeitung am 18. November 2024 berichtete, hat US-Präsident Joe Biden der Ukraine den Einsatz von ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von mehreren hundert Kilometern unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Dies soll vor allem die Abwehr russischer Angriffe im Gebiet Kursk unterstützen. Der Kreml wertete die Freigabe der US-Raketen als „Verwicklung westlicher Staaten in den Krieg“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde nach Angaben aus seinem Umfeld vorab von Biden informiert.
Während sich Scholz auf dem Weg zum G-20-Gipfel in Rio de Janeiro befand, bekräftigte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner, dass die Entscheidung der USA keine Auswirkungen auf die Haltung des Kanzlers zur Taurus-Lieferung habe. Wie der Merkur berichtet, sagte Büchner: „Ja, die Bundesregierung war darüber informiert und nein, es hat keine Auswirkungen auf die Entscheidung des Bundeskanzlers, Taurus nicht zu liefern.“ Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht in der amerikanischen Entscheidung „keine neue Lage“ in der Taurus-Frage.
Scholz lehnt die Lieferung der Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern weiterhin ab, da er die Gefahr einer Eskalation mit Russland sieht. Wie die F.A.Z. in einem Kommentar von Berthold Kohler am 18. November 2024 anmerkt, verfolgt Scholz die Linie, der Ukraine keine Waffen zu liefern, die nicht auch von den USA geliefert werden. Kohler argumentiert, dass Scholz das Nein zum Taurus im Wahlkampf instrumentell einsetzt, um „Besonnenheit“ zu demonstrieren. Obwohl CDU/CSU, Grüne und FDP die Lieferung befürworten, nutze Scholz das Thema für den Wahlkampf.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lobte Bidens Entscheidung und betonte das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung. Sie warnte davor, sich von Drohungen aus Russland verunsichern zu lassen. Wie die Badische Zeitung berichtet, sagte Baerbock: „Putin spielt ganz bewusst mit unserer Angst in Europa.“ Die Grünen sehen sich jedoch an die Koalitionsdisziplin gebunden, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Die Wirtschaftswoche kommentiert, dass Scholz durch sein Veto gegen die Taurus-Lieferung zunehmend isoliert sei. Während Union, FDP, Grüne, Frankreich und Großbritannien die Lieferung befürworten, telefoniere Scholz mit Putin und suche nach einem Ausgleich mit einer prorussischen Friedensbewegung. Der Artikel betont, dass Scholz' Sicherheitspolitik scheinheilig wirke und ihn als Zögerer darstelle.
Die Frankfurter Rundschau berichtet über eine Umfrage, wonach die Mehrheit der SPD-Anhänger für eine Kanzlerkandidatur von Pistorius plädieren. Der rheinland-pfälzische SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten sprach sich als erster Abgeordneter öffentlich für Pistorius aus. Scholz selbst bekräftigte jedoch seinen Willen zur Kanzlerkandidatur.
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