Die Suche nach einem 31-jährigen Vater und seinen drei Kindern aus Schmölln in Thüringen dauert weiter an. Wie die Polizei mitteilte, fehlt von dem Mann und seinen Kindern – einer zweijährigen Tochter und zwei Söhnen im Alter von sieben und acht Jahren – seit über einer Woche jede Spur. Die Polizei fahndet intensiv nach der Familie türkischer Herkunft und schließt eine Ausreise ins Ausland nicht aus. Wie die Zeit am 18. November 2024 berichtete, habe es zwar vereinzelte Hinweise gegeben, diese hätten sich jedoch bislang als ergebnislos erwiesen, so eine Polizeisprecherin.
Kindesentziehungen sind ein komplexes Problem mit internationalen Verflechtungen. Das Bundesamt für Justiz (BfJ), die zentrale deutsche Behörde für das Haager Kindesentführungsübereinkommen, verzeichnete 236 Fälle, in denen Kinder von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat gebracht wurden. Die häufigsten Zielländer waren dabei die Ukraine, die Türkei und Polen. Umgekehrt gab es 201 Fälle von Kindesentziehungen nach Deutschland, hauptsächlich aus der Ukraine und Polen. Deutschland liegt damit weltweit auf Platz drei der Länder mit den meisten Fällen im Rahmen des Haager Kindesentführungsübereinkommens, hinter den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Da die Einschaltung des BfJ nicht zwingend erforderlich ist, dürfte die Dunkelziffer deutlich höher liegen.
Das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) zielt darauf ab, widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachte oder dort zurückgehaltene Kinder schnellstmöglich zurückzuführen. Das Auswärtige Amt betont jedoch die begrenzten Möglichkeiten deutscher Behörden bei Kindesentziehungen ins Ausland. Sorgerechts- und Aufenthaltsbestimmungsfragen fallen unter die Jurisdiktion der jeweiligen Länder. Deutsche Behörden können keinen Einfluss auf ausländische Gerichtsentscheidungen nehmen. Besonders schwierig gestaltet sich die Situation, wenn die entführten Kinder auch die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes besitzen.
Besteht der Verdacht, dass ein Elternteil die gemeinsamen Kinder ins Ausland entführen will, können betroffene Eltern beim Familiengericht ein Ausreiseverbot beantragen. Im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Ausreise kann die Polizei eingeschaltet werden. Nach einer Kindesentziehung hängt das weitere Vorgehen davon ab, ob mit dem jeweiligen Land völkerrechtliche Vereinbarungen bestehen. Im Falle von Vertragsstaaten des HKÜ sollte umgehend das Bundesamt für Justiz kontaktiert werden. Innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) gelten besondere Regelungen zur Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen.
Das Auswärtige Amt empfiehlt, nach Möglichkeit eine einvernehmliche Lösung zwischen den Eltern anzustreben. Gerichtliche Verfahren im Ausland können langwierig und kostspielig sein. Sollten gerichtliche Schritte dennoch notwendig sein, gibt es zwei Möglichkeiten: die Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Beschlusses im Ausland oder die Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens im Aufenthaltsland der Kinder. In beiden Fällen ist die Unterstützung eines ortsansässigen Rechtsanwalts unerlässlich.
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