26.11.2024
Versehentliche Sterilisationen: Revisionsprozess in München

Prozess am Landgericht München: Patient mit Leistenbruch versehentlich sterilisiert

Am Landgericht München I wird derzeit ein Fall neu verhandelt, der im Sommer 2023 bereits zu einer Verurteilung des Chirurgen Klaus K. geführt hatte. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hatte K. bei einem 17-jährigen Patienten während einer Leistenbruchoperation versehentlich den Samenleiter durchtrennt. Der Arzt hatte im ersten Prozess eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung erhalten, legte jedoch Revision ein. Der Bundesgerichtshof hob einen Teil des Urteils auf, sodass nun eine erneute Verhandlung stattfindet.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die strengen gesetzlichen Vorgaben für Sterilisationen in Deutschland, insbesondere bei Menschen unter Betreuung. Wie die Zeit berichtet, gelten seit 1992 besondere Hürden für solche Eingriffe, die vor dem Hintergrund der Zwangssterilisationen während des Nationalsozialismus eingeführt wurden. Laut Paragraf 1830 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist eine Sterilisation zum Schutz der betreuten Person nur unter strengen Voraussetzungen möglich, darunter die Einsetzung eines Sterilisationsbetreuers und ein Gerichtsbeschluss. Das Deutsche Ärzteblatt bestätigt, dass Betreuungsgerichte jährlich deutschlandweit etwa 100 Sterilisationen genehmigen.

Im aktuellen Prozess geht es neben der versehentlichen Sterilisation des 17-Jährigen auch um einen zweiten Fall, in dem K. einen behinderten 24-Jährigen sterilisiert hatte. In diesem Fall hatten die Eltern des jungen Mannes die Einwilligung zur Operation gegeben. Wie die Schwäbische Zeitung berichtet, argumentierte der Arzt, er sei davon ausgegangen, dass die Einwilligung der Mutter ausreichend sei. Das Gericht muss nun klären, ob in beiden Fällen ein schuldhaftes Handeln des Arztes vorliegt und welche Konsequenzen dies für ihn hat. Für den 17-Jährigen stellt sich die Frage nach einer möglichen Entschädigung.

Der Chirurg selbst spricht von einem „Riesenfehler“ und dem „Drama seines Lebens“. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt ihn als sachlich und ruhig, doch bei der Schilderung des Vorfalls gerate seine Stimme ins Kippen. Im ersten Prozess hatte das Gericht dem Arzt geglaubt, dass es sich bei der Sterilisation des 17-Jährigen um ein Versehen gehandelt habe. Er habe zwei Patienten verwechselt. Im Fall des 24-Jährigen habe er angenommen, die Einwilligung der Mutter sei ausreichend. Wie die PNP berichtet, sah das Gericht bei allen drei Angeklagten – dem Arzt und den Eltern des 24-Jährigen – „keine kriminelle Energie“ und „keine Nähe zur NS-Rassenlehre“. Es ging von einem „Bewusstsein, nichts Falsches zu tun“ aus.

Die erneute Verhandlung am Landgericht München I wird zeigen, ob das Gericht seine Einschätzung der Sachlage bestätigt oder ob es zu einer anderen Bewertung der beiden Fälle kommt. Für den Chirurgen steht seine Approbation auf dem Spiel, für den versehentlich sterilisierten 17-Jährigen geht es um die mögliche Anerkennung des erlittenen Schadens.

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