19.10.2024
Wahlrechtsreform der Ampelkoalition vor dem Bundesverfassungsgericht: Verfassungskonformität im Fokus

Bundesverfassungsgericht: Ist das neue Wahlrecht der Ampel verfassungskonform?

Im kommenden Jahr wird der Bundestag nach einem neuen Wahlrecht gewählt, das von der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eingeführt wurde. Diese Reform hat bereits im Vorfeld zu einer Vielzahl an Diskussionen und rechtlichen Auseinandersetzungen geführt, insbesondere durch die Opposition, die unter anderem aus der Union und der Linken besteht. Diese Parteien haben Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um die Verfassungsmäßigkeit des neuen Wahlrechts überprüfen zu lassen.

Hintergrund der Wahlrechtsreform

Die Reform des Wahlrechts wurde mit dem Ziel eingeführt, die ständige Vergrößerung des Bundestags zu stoppen. In der Vergangenheit war es durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu einem stetigen Anstieg der Abgeordnetenzahl gekommen. Bei der Bundestagswahl 2021 stieg die Zahl der Abgeordneten von 709 auf 736, was den Bundestag zum größten frei gewählten Parlament der Welt machte.

Bereits 2020 wurde eine Wahlrechtsreform von der damaligen großen Koalition beschlossen, die jedoch nicht die erhofften Ergebnisse brachte. Kritiker bezeichneten diese Reform als unzureichend und als „Reförmchen“, das lediglich den Anstieg der Abgeordnetenzahl bremsen konnte.

Die wesentlichen Änderungen im neuen Wahlrecht

Das neue Wahlrecht, das 2023 beschlossen wurde, sieht vor, die Anzahl der Sitze im Bundestag auf 630 zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden die Überhang- und Ausgleichsmandate abgeschafft. Überhangmandate traten bislang in Kraft, wenn eine Partei mehr Direktmandate über die Erststimmen gewann, als ihr aufgrund der Zweitstimmen zustehen würden. Diese Mandate durften die Parteien behalten, während andere Parteien Ausgleichsmandate erhielten, um die Verteilung auszugleichen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt der Reform ist der Wegfall der Grundmandatsklausel. Diese Klausel erlaubte es Parteien, die unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, dennoch in den Bundestag einzuziehen, sofern sie mindestens drei Direktmandate gewonnen hatten.

Rechtliche Herausforderungen

Die Reform sieht sich nun rechtlichen Herausforderungen gegenüber. 195 Mitglieder der Unionsfraktion, die bayerische Staatsregierung sowie die Linke-Bundestagsfraktion haben Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Darüber hinaus haben mehr als 4000 Privatpersonen Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Die Kläger argumentieren, dass ihre Grundrechte, insbesondere die Wahlrechtsgleichheit (Artikel 38 Grundgesetz) und das Recht auf Chancengleichheit der Parteien (Artikel 21 Grundgesetz), durch die Reform verletzt werden. Insbesondere für die Unionsparteien und die Linke hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weitreichende Konsequenzen, da sie möglicherweise im nächsten Bundestag deutlich weniger Sitze erhalten könnten.

Die Auswirkungen auf die Parteien

Für die Union, insbesondere die CDU und die CSU, hat die Reform erhebliche Auswirkungen auf die Sitzverteilung im Bundestag. Zukünftig zählt nur das Zweitstimmenergebnis einer Partei für die Anzahl der Sitze im Parlament. Das bedeutet, dass eine Partei, die viele Direktmandate gewinnt, aber unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, möglicherweise leer ausgeht. Dies könnte insbesondere die CSU treffen, die bei der letzten Wahl 45 Direktmandate gewann, von denen elf Überhangmandate waren, die unter dem neuen Wahlrecht nicht mehr möglich sind.

Die Abschaffung der Grundmandatsklausel könnte der CSU zudem zum Verhängnis werden. Sollte sie bei der nächsten Wahl bundesweit unter die Fünf-Prozent-Marke rutschen, könnte sie aus dem Bundestag fliegen, selbst wenn sie in Bayern die meisten Wahlkreise direkt gewinnt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Am 30. Juli 2024 wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Wahlrechtsreform verkünden. Vorab gab es bereits durchgesickerte Informationen, dass die Fünf-Prozent-Klausel in ihrer aktuellen Form als verfassungswidrig angesehen wird. Das Gericht hat betont, dass eine solche Klausel grundsätzlich dazu dienen kann, die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten, da sie eine Zersplitterung des Parlaments verhindert. Allerdings muss sichergestellt werden, dass Stimmen für kleinere Parteien nicht verloren gehen.

Das Gericht könnte anordnen, dass die frühere Regelung wieder gilt, wonach Parteien mit mindestens drei Direktmandaten auch dann in den Bundestag einziehen dürfen, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreichen. Diese Regelung könnte den kleineren Parteien zugutekommen und dazu führen, dass die Verteilung der Sitze im Bundestag gerechter wird.

Fazit

Die Neuregelung des Wahlrechts durch die Ampel-Koalition steht vor einer entscheidenden Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Die anhaltenden rechtlichen Auseinandersetzungen und die damit verbundenen politischen Implikationen werfen Fragen zur Verfassungskonformität der Reform auf. Die bevorstehenden Entscheidungen des Gerichts werden entscheidend dafür sein, wie die Bundestagswahl 2025 gestaltet wird und welche Auswirkungen dies auf die politische Landschaft in Deutschland haben könnte.

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