Der Rebsorten-Experte Andreas Jung hat es sich zur Aufgabe gemacht, historische, teils verschollene oder sogar als ausgestorben geltende Rebsorten wiederzubeleben. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, hat Jung über Jahre hinweg diese seltenen Sorten an den ungewöhnlichsten Orten aufgespürt – in alten Weinbergen, unter Hecken, an Weingutmauern und sogar in einem Kiefernwald. Seine Sammlung autochthoner Rebsorten von kulturhistorischer Bedeutung zählt deutschlandweit zu den größten.
Jungs Arbeit beginnt mit der Suche und Identifizierung der Rebsorten. Er analysiert die Blätter der Reben – ihre Form, die Zähnelung, die Aderung, die Oberflächenstruktur – und untersucht die Trauben – ihre Beeren, Form, Farbe und Größe. Die FAZ berichtet, dass er sich dabei oft auf Beschreibungen in historischen Büchern aus dem 18. und 19. Jahrhundert stützt. Eine DNA-Analyse ist nicht immer zielführend, da kein genetischer Fingerabdruck von ausgestorbenen Pflanzen existiert.
Konnte Jung eine Sorte bestimmen, pflanzt er in seinen Weinbergen mehrere Rebstöcke davon an. Von einigen Sorten existieren bereits ganze Reihen, um sortenreine Weine keltern zu können. Der Podcast "Historische Rebsorten" erläutert, dass Jung interdisziplinär arbeitet und ampelographisches Wissen mit völkerkundlichen und klimahistorischen Erkenntnissen kombiniert, um die Geschichte der Rebsorten zu erforschen.
Die Wiederbelebung historischer Rebsorten ist nicht nur für die Weinvielfalt wichtig, sondern auch im Hinblick auf den Klimawandel. Falstaff berichtet, dass viele dieser Sorten ungewöhnliche Eigenschaften besitzen, die sie möglicherweise widerstandsfähiger gegen klimatische Veränderungen machen. So weist beispielsweise der Gelbe Orléans trotz seiner großen Beeren einen hohen Extraktgehalt auf. Der "Blaue Arbst", genetisch ein Spätburgunder, besitzt besonders kleine Beeren.
Die Kooperation mit Winzern ist für Jung unerlässlich. Die FAZ berichtet von seiner Zusammenarbeit mit interessierten Winzern, die die historischen Rebsorten anbauen und zu Wein verarbeiten. Die Winzer sammeln so Erfahrungen im Umgang mit den alten Sorten und entwickeln eigene Weinstile. Der SWR berichtete über Jungs Zusammenarbeit mit Winzern in der Pfalz und Rheinhessen, die sich dem Erhalt bedrohter Rebsorten verschrieben haben.
Die Arbeit mit historischen Rebsorten ist jedoch nicht ohne Hürden. Wie AZ Online berichtet, gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen Jung und öffentlichen Forschungseinrichtungen bezüglich der Zusammenarbeit und der Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse. Trotz dieser Schwierigkeiten engagiert sich Jung weiterhin für den Erhalt und die Wiederbelebung der historischen Rebsorten.
Die Weine aus historischen Rebsorten bieten eine geschmackliche Vielfalt und erzählen eine Geschichte. Stephan Reinhardt beschreibt in der FAZ, dass die wiederbelebten Rot- und Weißweine mit ihren einzigartigen Aromen und ihrer Komplexität überzeugen. Sie eröffnen Weinliebhabern neue Geschmackserlebnisse und bieten ein Stück Weingeschichte im Glas.
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