19.10.2024
Windenergie auf See: Herausforderungen beim Ausbau

Windkraft: Warum der Ausbau auf See nicht rundläuft

Die deutschen Windenergie-Verbände gehen davon aus, dass Deutschland sein Ausbauziel für die Windenergie auf See für das Jahr 2030 nicht erreichen wird. Statt der vorgesehenen 30 Gigawatt dürften bis dahin nur knapp 27 Gigawatt am Netz sein, heißt es in einer Bilanz, welche die Verbände BWE, BWO, VDMA, Stiftung Offshore Windenergie und weitere am Montag vorstellten.

Demnach sind bisher Anlagen mit einer Kapazität von 8,9 Gigawatt in Betrieb – davon 7,3 Gigawatt in der Nordsee – und viele weitere geplant. Im ersten Halbjahr dieses Jahres trugen sie 13,8 Terawattstunden (6,3 Prozent) zur deutschen Stromerzeugung bei. Hinzu kamen 36 Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 377 Megawatt. Außerdem stehen die Parks Gode Wind 3 in der Nordsee und Baltic Eagle in der Ostsee kurz vor der Fertigstellung und sollen noch vor Jahreswechsel in Betrieb genommen werden.

Das Wachstumspotential von Windparks gerade in der Nord- und Ostsee gilt als groß, denn dort lassen sich wegen besserer Windverhältnisse deutlich höhere Volllaststunden erzielen als bei Anlagen an Land, im Endeffekt laufen die Anlagen viel häufiger. Mit dem Windstrom könnte in Zukunft außerdem erneuerbarer Wasserstoff erzeugt werden. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen bis 2030 sogar 40 und bis 2045 70 Gigawatt Leistung installiert sein.

Doch die Branche steckt in Schwierigkeiten. „Kostensteigerungen bei Rohstoffen sowie Engpässe bei Produktions- und Transportkapazitäten wirken sich stark aus“, sagt Lara Schech, die beim Energieversorger EnBW für die Entwicklung von Offshore-Projekten zuständig ist. Fehlende politische Unterstützung habe zudem zu einem „Verlust von Wertschöpfungstiefe“ geführt. Die Betreiber müssen also einen immer größeren Anteil von Zulieferern beziehen. Dies habe die Lage zusätzlich verschärft, zumal es nur noch drei westliche Hersteller gebe, die überhaupt Turbinen anbieten.

Bund will Ausschreibungen überdenken

Und so sind die Sorgen groß, dass der Bau vieler Windparks trotz gewonnener Ausschreibungen noch scheitern könnte. „Das Ausschreibungsdesign muss künftig stärker auf eine sichere und termingerechte Projektrealisierung ausgerichtet werden“, fordern deshalb die Verbände. Erst Mitte Juni hatten sich EnBW und Total Energies Flächen mit einer Kapazität von 2,5 Gigawatt gesichert; dafür zahlen sie insgesamt mehr als 3 Milliarden Euro. Die Windparks sollen 2031 ans Netz gehen. Die jüngsten Ergebnisse bestätigten zwar „das anhaltende Interesse von Investoren am deutschen Markt“, aber die hohe Gebotssumme werde „den Kostendruck in der industriellen Wertschöpfungskette zusätzlich erhöhen und dringend benötigte Investitionen ausbremsen“. Die Bundesregierung hatte in ihrer Wachstumsinitiative in der vergangenen Woche angekündigt, das Ausschreibungsdesign noch einmal zu überdenken.

Bislang fließen die Erlöse aus den Ausschreibungen zu 90 Prozent in die Senkung der Stromkosten, kommen also den Verbrauchern über die Offshore-Netzumlage zugute. Die Investoren müssen diese allerdings erst nach der Fertigstellung des Windparks über einen Zeitraum von 20 Jahren in gleichbleibenden jährlichen Raten an den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber zahlen. Jeweils 5 Prozent der Erlöse fließen außerdem in die Förderung einer umweltschonenden Fischerei sowie in den Schutz der Meere; sie müssen von den Investoren innerhalb eines Jahres an den Bund überwiesen werden.

Expertinnen warnen vor Ausbaulücke

Die Expertin Lara Schech warnt vor einer Ausbaulücke, wenn die politischen Ziele nicht erreicht werden. "Wenn wir die Ziele nicht erreichen, riskieren wir, dass die Energiewende ins Stocken gerät", sagt sie. "Wir müssen daher dringend die notwendigen Schritte unternehmen, um die Windenergie auf See auszubauen."

Das Problem liegt nicht nur an der fehlenden politischen Unterstützung, sondern auch an den fehlenden Investitionen in die Infrastruktur. "Wir benötigen mehr Investitionen in die Hafenanlagen, die Fertigungskapazitäten und die Logistik", erklärt Schech. "Ohne diese Investitionen können wir die Windparks nicht bauen, die wir benötigen, um die Energiewende zu erreichen."

Die Bundesregierung hat in ihrer Wachstumsinitiative angekündigt, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Windenergie auf See auszubauen. Doch die Expertin Schech warnt, dass dies nicht genug ist. "Wir benötigen konkrete Maßnahmen, um die Investitionen zu fördern und die politischen Ziele zu erreichen", sagt sie. "Wir können nicht einfach nur reden, wir müssen handeln."

In Deutschland gibt es derzeit etwa 1.500 Windkraftanlagen auf See, die zusammen etwa 7.000 Megawatt Leistung erbringen. Doch um die Energiewende zu erreichen, benötigt Deutschland etwa 30.000 Megawatt Leistung aus Windkraft auf See. Das bedeutet, dass Deutschland innerhalb der nächsten zehn Jahre etwa 23.000 Megawatt Leistung aus Windkraft auf See hinzugewinnen muss.

Die Expertin Schech warnt, dass dies ein riesiger Aufwand ist, der viel Geld und viele Ressourcen benötigt. Doch sie ist überzeugt, dass Deutschland in der Lage ist, die Energiewende zu erreichen. "Wir haben die Technologie, wir haben die Fachkräfte, wir haben die Ressourcen", sagt sie. "Wir müssen jetzt nur noch handeln und die notwendigen Schritte unternehmen, um die Energiewende zu erreichen."

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