October 5, 2024
Antisemitismus in Deutschland: Ein Staatsziel im Grundgesetz?

Bedrohung von Juden: Kampf gegen Antisemitismus ins Grundgesetz?

Die Bedrohung jüdischen Lebens ist in Deutschland wieder erschreckend präsent. Vor diesem Hintergrund hat der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) einen viel diskutierten Vorschlag vorgelegt: den Kampf gegen Antisemitismus und den Schutz jüdischen Lebens als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.

Spaenle begründet seine Forderung mit der besorgniserregenden Realität, dass Antisemitismus auch 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes nicht verschwunden sei. In einem Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und andere führende Politiker schrieb er im Mai, der Antisemitismus sei „nicht ausgerottet“. Die „Katastrophe des Nationalsozialismus“ sei „wieder erschreckend präsent“. Dieser Meinung schließen sich auch Experten an. So mahnen sie, dass Juden nach der Shoa noch nie so bedroht in Deutschland waren wie heute. Sie fordern, den Schutz jüdischen Lebens als eine Verpflichtung zu konkretem Handeln dringend im Grundgesetz zu verankern. „Jüdinnen und Juden in Deutschland haben Angst. Das erfahre ich in vielen Begegnungen im Rahmen einer Tätigkeit als Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung.“, so Spaenle gegenüber dem Tagesspiegel.

Spaenles Vorstoß hat in der deutschen Politiklandschaft ein geteiltes Echo hervorgerufen. Während einige Politiker die Notwendigkeit einer solchen Verfassungsänderung betonen, äußern andere Skepsis hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Befürworter der Initiative, wie die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, verweisen auf die anhaltende Bedrohung durch Antisemitismus und die Notwendigkeit einer klaren Botschaft. Auch die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, unterstützt Spaenles Vorschlag und bezeichnet Antisemitismus als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.

Gegner einer Verfassungsänderung, wie CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz, argumentieren hingegen, dass die bestehende Verfassung bereits ausreichenden Schutz biete. Eine zusätzliche Klausel würde ihrer Ansicht nach keine nennenswerten Verbesserungen mit sich bringen. Ähnliche Bedenken äußerte auch Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag.

Die Linke im Bundestag vertritt die Position, dass eine spezifische Hervorhebung des Antisemitismus im Grundgesetz den Eindruck erwecken könnte, dass andere Diskriminierungsformen weniger ernst genommen würden.

Die Debatte um die Verankerung des Kampfes gegen Antisemitismus im Grundgesetz verdeutlicht die Herausforderungen, vor denen Deutschland im Kampf gegen Judenhass steht. Ob eine Verfassungsänderung der richtige Weg ist, um jüdisches Leben effektiver zu schützen und Antisemitismus wirksamer zu bekämpfen, bleibt eine Frage, die die deutsche Gesellschaft weiter beschäftigen wird.

- Quelle: „Sollte der Kampf gegen Antisemitismus ins Grundgesetz?“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.10.2024 - Quelle: „Kampf dem Antisemitismus als Staatsziel: „Es wäre ein verbindliches Versprechen an alle Jüdinnen und Juden““, Der Tagesspiegel, 27.08.2024
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