19.10.2024
Bedrohter Wachtelkönig: Hoffnung und Herausforderungen im Kinzigtal

Tierschutz: Bedrohte Sommergäste: Dem seltenen Wachtelkönig auf der Spur

Der Wachtelkönig, ein vom Aussterben bedrohter Vogel, hat in diesem Jahr in Hessen ein ungewöhnliches Brutgebiet gewählt. Normalerweise brütet dieser Vogel in weniger besiedelten Gebieten, doch diesmal wurde er im Kinzigtal zwischen Gelnhausen und Bad Soden-Salmünster beobachtet. Vogelexperten konnten mindestens fünf Männchen in einer Wiese nahe des Flusses Kinzig beobachten, und das in unmittelbarer Nähe zur stark frequentierten Autobahn A66.

Stefan Stübing, ein Diplom-Biologe und Vogelexperte, äußerte sich erfreut über diese Entdeckung. Bei einem Streifzug in der Dämmerung konnte er den typischen, knarrenden Ruf des Wachtelkönigs vernehmen. „Wenn wir einen Wachtelkönig tagsüber oder in der Dämmerung rufen hören, ist das ein sehr guter Hinweis darauf, dass auch Weibchen im Gebiet sind und Bruten stattfinden“, so Stübing.

Hochwasserflüchtlinge aus Bayern

Ein möglicher Grund für das Auftauchen dieser Vögel im Kinzigtal könnte die Überschwemmung ihrer Brutgebiete in Bayern aufgrund von Hochwasserereignissen im Frühjahr sein. Auch das Wetter in Hessen war in diesem Frühjahr sehr nass, was zu feuchten Wiesen an Orten führte, die normalerweise trocken sind. Solche Bedingungen könnten den Wachtelkönig in diesem Jahr anziehen, auch wenn die Nähe zur Autobahn nicht ideal ist.

„Die Wiesen sind in diesem Jahr so einladend, dass der Wachtelkönig sie trotz der nahen Autobahn attraktiv findet“, erklärt Stübing weiter. „Nachts wird der Lärm auf der A66 leiser. Ideal ist das natürlich nicht, da ist die Rhön für den Vogel viel einladender.“ In normalen trockeneren Jahren wird der Wachtelkönig vermutlich nicht wieder an die Kinzig zurückkehren.

Der Rückgang des Wachtelkönigs

In der Vergangenheit war der Wachtelkönig in Hessen weit verbreitet. Laut Stübing gab es früher in Feuchtwiesen an Flüssen wie der Eder, der Lahn, in der Schwalm, Wetterau sowie in den Mittelgebirgen wie der Rhön mehrere hundert, in manchen Jahren sogar über tausend Wachtelkönige. Doch durch menschliche Aktivitäten, wie die Trockenlegung von Wiesen, häufiges Mähen und intensive Düngung, wurde der Lebensraum des Wachtelkönigs stark eingeschränkt. Derzeit gibt es in Hessen theoretisch nur noch Platz für 100 bis 200 Wachtelkönige.

Tatsächlich sind die Zahlen jedoch alarmierend niedrig. In guten Jahren verbringen vielleicht noch 40 bis 60 Wachtelkönige den Sommer in Hessen. 2017 wurden sogar nur drei rufende Männchen festgestellt. Dieser Rückgang ist nicht nur ein regionales Problem, sondern betrifft den gesamten westlichen Teil des Verbreitungsgebiets des Wachtelkönigs, das sich von Schottland bis nach Sibirien erstreckt. Der Wachtelkönig ist EU-weit geschützt und gilt aufgrund seiner großen Seltenheit als „unser Naturschutz-Tafelsilber“.

Initiativen zum Schutz des Wachtelkönigs

Um den Wachtelkönig zu schützen, engagieren sich lokale Vogelkundler und Naturschützer. Über die Plattform „ornitho.de“ werden Hinweise zu möglichen Vorkommen gesammelt und an die Hessische Gesellschaft für Ornithologie (HGON) weitergeleitet. Diese Meldungen werden dann geprüft, um geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Der Schutz der Brutgebiete ist von entscheidender Bedeutung für das Überleben dieser Art.

Fazit

Die aktuellen Beobachtungen des Wachtelkönigs im Kinzigtal zeigen, dass trotz der vielen Herausforderungen, vor denen diese Art steht, Hoffnung besteht. Die Tatsache, dass sich Wachtelkönige in einem so urbanisierten Gebiet wie dem Kinzigtal ansiedeln, könnte ein Hinweis auf die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Erhalt und zur Wiederherstellung geeigneter Lebensräume für bedrohte Arten sein. Nur durch kollektive Anstrengungen von Biologen, Naturschützern und der Öffentlichkeit kann der Wachtelkönig eine Chance auf eine nachhaltige Zukunft in Hessen und darüber hinaus erhalten.

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