September 30, 2024
Biodiversität in Deutschland: Dringlichkeit und Lösungsansätze für den Artenschutz

Biodiversität: „Es geht hier um die Bewahrung eines Lebenserhaltungssystems“

Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend. Das zeigt der neue Faktencheck Artenvielfalt, der von 145 Fachleuten erstellt wurde. Der Biologe Christian Wirth, einer der Leitautoren des Berichts, betont im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass es sich bei der Biodiversität um ein „Lebenserhaltungssystem“ handelt, dessen Schutz von größter Bedeutung ist.

Der Faktencheck Artenvielfalt ist die umfassendste Bestandsaufnahme der Natur in Deutschland. Drei Jahre lang haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle verfügbaren Daten zusammengetragen und ausgewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd: Der Zustand der Natur hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Viele Arten sind vom Aussterben bedroht, Lebensräume verschwinden.

Christian Wirth, Professor für Pflanzenökologie an der Universität Leipzig, warnt vor den Folgen des Artensterbens. „Wir verlieren damit die Lebensgrundlage für uns Menschen“, sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Die Natur erbringt uns viele Leistungen, die wir zum Leben brauchen: Sie reinigt unser Wasser, sie bestäubt unsere Nutzpflanzen, sie schützt uns vor Naturkatastrophen.“

Als einen der Hauptgründe für den Artenverlust nennt Wirth die intensive Landwirtschaft. „Durch den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln werden Insekten und andere Tiere getötet, die für ein funktionierendes Ökosystem wichtig sind“, erklärt er. Auch die zunehmende Versiegelung von Flächen durch Siedlungs- und Straßenbau trage zum Artensterben bei.

Doch es gibt auch Lichtblicke. So haben sich einige Arten, die in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen waren, wieder erholt. Als Beispiel nennt Wirth den Seeadler, der in Deutschland wieder heimisch geworden ist. „Das zeigt, dass Artenschutzmaßnahmen erfolgreich sein können“, sagt er.

Der Faktencheck Artenvielfalt soll der Politik als Grundlage für Entscheidungen zum Schutz der Natur dienen. Christian Wirth hofft, dass die neue Bundesregierung die Ergebnisse des Berichts ernst nimmt und konkrete Maßnahmen ergreift, um den Artenschwund zu stoppen. „Es ist noch nicht zu spät, aber wir müssen jetzt handeln“, sagt er.

Die Zeit drängt, denn die Biodiversität ist ein komplexes Gefüge, dessen einzelne Teile miteinander verwoben sind. Der Verlust einer Art kann Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem haben. So führt beispielsweise der Rückgang von Insekten zu einem Rückgang der Bestäuber, was wiederum negative Folgen für die Pflanzenwelt und die Nahrungsmittelproduktion hat.

Neben der Landwirtschaft und der Flächenversiegelung sieht Wirth auch den Klimawandel als eine Bedrohung für die Artenvielfalt. „Der Klimawandel führt zu einer Erwärmung und zu einer Veränderung der Niederschläge“, erklärt er. „Das hat zur Folge, dass sich die Lebensräume vieler Arten verschieben. Nicht alle Arten können mit diesen Veränderungen Schritt halten.“

Um den Artenschwund zu stoppen, fordert Wirth ein Umdenken in Politik und Gesellschaft. „Wir müssen weg von dem Gedanken, dass wir die Natur grenzenlos ausbeuten können“, sagt er. „Stattdessen müssen wir lernen, im Einklang mit der Natur zu leben.“

Konkret fordert Wirth unter anderem eine naturverträglichere Landwirtschaft, einen Stopp der Flächenversiegelung und eine konsequente Bekämpfung des Klimawandels. „Es geht hier um die Bewahrung unserer Lebensgrundlage“, sagt er. „Wenn wir die Artenvielfalt verlieren, verlieren wir auch unsere eigene Zukunft.“

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