19.10.2024
Steinmeier ehrt Geingobs Vermächtnis für Versöhnung und Aufarbeitung der Kolonialverbrechen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei einer Trauerfeier in Namibia den verstorbenen namibischen Präsidenten Hage Geingob als "großen Staatsmann" geehrt und dessen Rolle im Versöhnungsprozess der ehemaligen deutschen Kolonie mit der Bundesrepublik gewürdigt. Steinmeier hob in seiner Rede in Namibias Hauptstadt Windhoek den "Abgrund aus Gräueltaten, die von Deutschen während der Kolonialherrschaft verübt wurden und die in dem Völkermord an den Gemeinschaften der Ovaherero und Nama vor 120 Jahren mündeten", hervor. Der im Alter von 82 Jahren verstorbene Präsident Geingob wird in Deutschland "für immer in Erinnerung bleiben, weil er den Mut hatte, dem deutschen Volk über den dunklen Abgrund unserer Geschichte hinweg die Hand zu reichen". Namibia – damals als Deutsch-Südwestafrika bezeichnet – war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. In dieser Zeit wurden Schätzungen zufolge rund 100.000 Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama gezielt getötet, Tausende wurden in Konzentrationslager gebracht. Historiker stufen die Vorgänge als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts ein. Steinmeier sprach bei der Gedenkfeier auch die politische Aufarbeitung des Völkermords an. Präsident Geingob habe ihm Ende vergangenen Jahres gesagt, dass er die sogenannte "Gemeinsame Erklärung" Deutschlands und Namibias zu Ende bringen wolle. Er sicherte zu: "Mein Land bleibt diesem Vermächtnis verpflichtet. Wir sind dem Weg der Versöhnung verpflichtet." Er hoffe, bald nach Namibia zurückkehren zu können, "denn ich bin davon überzeugt, dass es an der Zeit ist, das namibische Volk um Entschuldigung zu bitten", fügte der Bundespräsident hinzu. 2021 hatten sich Deutschland und Namibia grundsätzlich auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Dieses Versöhnungsabkommen sieht vor, dass Deutschland 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre für die deutschen Kolonialverbrechen Entwicklungs- und Wiederaufbauhilfe zahlt. In dem Abkommen werden die deutschen Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama im historischen, nicht aber im völkerrechtlichen Sinne als Völkermord anerkannt. Damit können aus der Vereinbarung keine rechtlichen Ansprüche auf Reparationen oder Entschädigungen abgeleitet werden. Die Vereinbarung wird unter anderem von der Opposition in Namibia und Vertretern der Herero und Nama kritisiert. Sie beklagen eine fehlende Beteiligung von Opfervertretern an den Verhandlungen mit Deutschland und bestehen auf einer offiziellen Anerkennung des Völkermords auch im völkerrechtlichen Sinne. Bei der Trauerfeier sagte der führende Oppositionspolitiker McHenry Venaani an Steinmeier gerichtet: "Unser Volk erwartet, dass die Angelegenheit des deutschen Völkermords in Namibia geklärt wird." Steinmeier solle nach seiner Rückkehr in Deutschland dafür sorgen, dass "das, was auf dem Verhandlungstisch liegt, zu einem respektablen Abkommen im Namen unseres Volkes führt", forderte Venaani. Geingob war Anfang des Monats im Alter von 82 Jahren gestorben. Von 1884 bis 1915 war das heutige Namibia die Kolonie "Deutsch-Südwestafrika". Damals wurden Schätzungen zufolge rund 100.000 Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama ermordet, Tausende waren in Lagern interniert. Historiker stufen dies als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts ein. Vor drei Jahren beschloss Deutschland mit Namibia ein Grundsatzabkommen zur Versöhnung. Es sieht auch die Zahlung von 1,1 Milliarden Euro vor. Geingob hatte sich Ende vergangenen Jahres dafür ausgesprochen, die "Gemeinsame Erklärung" zum Abschluss zu bringen, und Steinmeier sicherte zu, dass Deutschland diesem Vermächtnis verpflichtet bleibt. Der Bundespräsident drückte seine Hoffnung aus, bald nach Namibia zurückzukehren, um das namibische Volk um Entschuldigung zu bitten. Er betonte, dass es an der Zeit sei, die Vergangenheit aufzuarbeiten und gemeinsam für eine bessere Zukunft einzutreten. Die politische Aufarbeitung des Völkermords und die Rolle Geingobs im Versöhnungsprozess standen im Mittelpunkt der Trauerfeier in Windhoek.
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