Die FAZ berichtet über die 50-jährige Karriere von Carmen Thomas, bekannt durch die WDR-Sendung "Hallo Ü-Wagen". Ihre Laufbahn war geprägt von Innovationen im deutschen Medienbetrieb und begann im Dezember 1974 mit der ersten Folge der interaktiven Radiosendung, die mit knapp 1000 Folgen Kultstatus erlangte. Bereits mit 28 Jahren machte sie als Pionierin und oft als erste Frau in männerdominierten Bereichen auf sich aufmerksam.
Wie Thomas im FAZ-Interview erläutert, stieß diese Vorreiterrolle häufig auf Widerstand und Ablehnung – ein Phänomen, das sie als "Reaktanz" oder "Blindwiderstand" bezeichnet und das sie im Laufe ihrer Karriere intensiv beschäftigte. Dieses Konzept, das sie auch in einem gleichnamigen Buch verarbeitete, bildet einen zentralen Bestandteil ihrer Arbeit. Seit 1980 coacht sie Manager und Teams und wendet dabei ihre Erkenntnisse über Reaktanz an.
Den Begriff "Reaktanz" lernte Thomas, laut FAZ, durch einen Artikel der Sozialpsychologen Jack und Sharon Brehm kennen, während ihrer Zeit als Moderatorin von "Hallo Ü-Wagen". Die Sendung behandelte gesellschaftliche Tabuthemen wie Menstruation, Homosexualität oder Kindesmissbrauch und bestach durch eine innovative Pro-und-Kontra-Dramaturgie. Thomas interviewte live Publikum und Experten, was sie vor die Herausforderung stellte, mit kontroversen Meinungen umzugehen.
Im FAZ-Interview schildert Thomas, wie sie anfänglich "patzige Fragen mit kritischem Journalismus verwechselte" und dadurch bei den Befragten und beim Publikum Blindwiderstand provozierte. Als Beispiel führt sie eine Sendung über die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft an. Ihre kritischen Fragen an einen Pastor führten dazu, dass das Publikum sich mit dem Interviewten solidarisierte und die Selbstkontrolle befürwortete.
Die FAZ zitiert Thomas, die die heutige Welt als von Reaktanz geprägt sieht, ausgelöst durch Themen wie Klimawandel oder Künstliche Intelligenz. Sie unterstreicht die Bedeutung eines offenen Dialogs, in dem Reaktanz als Ressource genutzt wird. Eine "gelassen-freiheitliche Kontroverse" könne zu mehr Reife und Freiheit führen, selbst bei "furchtbaren Menschen" und "furchtbaren Meinungen".
Ihre Erfahrungen als Pionierin, so Thomas gegenüber der FAZ, stärkten ihren Mut und ihr Selbstvertrauen. Sie verstand, dass Reaktanz kein persönlicher Angriff ist, sondern eine gesetzmäßige Reaktion auf Neues und Unbekanntes darstellt.
Ende der 1970er Jahre, berichtet Thomas der FAZ, kontaktierte sie ein Manager, beeindruckt von ihrer Fähigkeit, im Radio auch mit "scheußlichen Leuten" freundlich umzugehen. Er bat sie, ihm ihre Methode zu vermitteln. Diese Methode, so Thomas, basiert auf dem Erkennen und der positiven Nutzung von Reaktanz.
Ihre Medienkarriere begann mit 21 Jahren beim WDR-Morgenmagazin. Radio hatte damals eine große Bedeutung. Thomas erzählt der FAZ, dass sie sich dank ihrer Radiopräsenz nie bewerben musste. 1969 wurde sie die erste Fernsehreporterin bei "Hier und heute" und moderierte ab 1972 das "Tagesmagazin" im WDR-Fernsehen – jeweils als erste Frau.
Die Arbeit in den Männerdomänen der Medienbranche, so Thomas im FAZ-Interview, war nicht immer leicht. Sie erlebte mangelnde Solidarität von Frauen und ständige Abwertung von Männern. Doch als sie erkannte, dass auch dies eine Form von Reaktanz war, konnte sie besser damit umgehen.
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