September 28, 2024
Das Erbe einer Theaterlegende: Maggie Smiths Leben und Wirken

An strafender Trockenheit war Maggie Smith nicht zu überbieten. Ihre Zunge, die sie mit einem makellosem Sinn für komisches Timing einsetzte, konnte so rauh wie das gröbste Schleifpapier und so spitz wie der feinste Degen sein. Während die um bloß neunzehn Tage ältere Judi Dench, mit der sie seit den fünfziger Jahren in Freundschaft verbunden war, nach Schauspielerart selbstironisch zu frotzeln pflegt, übte sich Maggie Smith eher in Sardonismus. Auch im Gespräch mit Dench, wie die FAZ berichtet.

Als die beiden geadelten Damen der britischen Bühne sich einmal mit Laurence Oliviers Witwe Joan Plowright, ebenfalls eine große alte Theaterdame, austauschten, meinte Dench, mit der Bemerkung für alle zu sprechen, dass die drei Veteraninnen bereit seien, für immer weiter zu arbeiten, solange man sie haben wolle. Maggie Smith fiel ihr schlagartig mit dem Vorwurf ins Wort, dass Dench die Rollen immer als Erste angeboten bekomme.

Es war charakteristisch für ihre Neigung, die eigene Person in den Hintergrund zu stellen, dass sie, wie Königin Elisabeth II. von sich in der dritten Person sprach. Leben und Leistung fasste sie als betagte Darstellerin kurz und bündig mit den Worten zusammen. „Man ist in die Schule gegangen, man wollte schauspielern, man hat angefangen zu schauspielern, und man schauspielert immer noch.“ Als man ihr eine Biographie nahelegte, soll sie gejammert haben, dass es doch nichts zu schreiben gebe, sie habe nichts geleistet und wisse auch nicht, was sie tue.

Dabei hatte dieser eigenwillige Rotschopf sich schon als Schülerin in den Kopf gesetzt, Schauspielerin zu werden, womöglich auch, weil sie auf der Bühne den Panzer ablegen konnte, den sie sich zum Schutz angelegt hatte. In einem ihrer seltenen Interviews bezeichnete Maggie Smith das Theater einmal als eine andere, bessere Welt voller Menschen, die eine vorgefertigte Sicherheit suchten und sie auf der Bühne auch fänden. Draußen gingen Ehen in die Brüche, da friere das Thermometer. Drinnen seien die Wände gegen die Welt gepolstert. Nicht das Theater sei die Illusion, sondern das wirkliche Leben.

Mit widerborstig-näselnden Vokalen, die sie zugleich als Angriff und Abwehr einsetzte, brachte Maggie Smith ihre unsentimentale Weltanschauung mokant zum Ausdruck. Skepsis und enttäuschter Schwermut waren durch schwarzen Humor gebrochen. Das verlieh den verhärmten Frauen zusätzliche Tiefe, die sie nach Erfolgen in Filmen wie „Die besten Jahre der Miss Jean Brodie“, „Die große Sehnsucht der Judith Hearne“ oder „Zimmer mit Aussicht“ mit fortschreitenden Jahren immer häufer verkörperte.

Mit Shakespeare fühlte sie sich nie wohl

In Alan Bennetts Fernsehmonolog „Bed Among the Lentils“, stellte sie die Frau eines selbstgerechten Pfarrers dar, die sich mit der Flasche und dem indischen Gemischtwarenhändler tröstet, bei dem sie heimlich ihren Sherry kauft. Spröde Verletzbarkeit ging mit einer nüchternen, beinahe selbstamüsierten Einschätzung ihrer Lage einher. Auf Bühne und Leinwand erwies sie sich auch als die grantige Pennerin in Bennetts „The Lady with the Van“ als Meisterin der Andeutung verborgener Traumata. Der Dramatiker Tom Stoppard brachte das dramatische Talent der Schauspielerin mit der Beobachtung auf den Punkt, dass sie völlig in einer Figur zu leben vermöge und zugleich ironisch kommentierend neben ihr zu stehen.

Edith Evans, eine der Theater-Größen aus der Generation vor Maggie Smith, behauptete, man müsse todunglücklich gewesen sein, um Komödie spielen zu können, und das absolute Glück gekannt haben, um die Tragik beherrschen zu vermögen. In der Überzeugung, dass jeder, der als Komiker so reüssiere wie Maggie Smith, auch für tragische Rollen geeignet sei, hatte Laurence Olivier sie Anfang der Sechzigerjahre für sein neues Nationaltheater am Londoner Old Vic engagiert. An seiner Seite beeindruckte sie als eine seine Demütigung beinahe trotzig hinnehmende Desdemona in Shakespeares „Othello“, wobei sie bekannte, sich mit Shakespeare nie wohl gefühlt zu haben.

In späteren Jahren erlebte man Maggie Smith als die temperamentvolle Zauberlehrerin Professorin Minerva McGonagall in den „Harry Potter“-Filmen oder als die herrschsüchtige Gräfinnenmutter, die in „Downton Abbey“ ihre Missbilligung durch das bloße Kräuseln der Lippen und ein leises Blähen der aristokratischen Nüstern zum Ausdruck bringt, bevor sie einen ihrer giftigen Einzeiler abfeuert. Smith bezeichnete diese Rollen gern als ihr Rente.

Am vergangenen Freitag ist Maggie Smith im Alter von 89 Jahren gestorben. Am Dienstag werden die Theater des Londoner West End die Lichter zwei Minuten lang zu Ehren der Schauspielerin dimmen, die der König und die Königin in einer offiziellen Erklärung als „Nationalschatz“ gewürdigt haben. Wie die FAZ berichtet, starb sie bereits am vergangenen Freitag.

Quelle: FAZ.NET

- https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/schauspielerin-maggie-smith-ist-gestorben-110015025.html - https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/prominente/schauspielerin-maggie-smith-tot-harry-potter-100.html - https://www.prosieben.de/themen/stars/news/harry-potter-star-dame-maggie-smith-stirbt-im-alter-von89-jahren-professor-mcgonagall-438127 - https://www.gala.de/stars/news/dame-maggie-smith---89---die-schauspielerin-ist-gestorben-24192256.html - https://www.focus.de/kultur/kino_tv/familie-gibt-traurige-nachricht-bekannt-harry-potter-star-maggie-smith-im-alter-von-89-jahren-gestorben_id_260349173.html - https://www.brisant.de/stars/gestorben/maggie-smith-tot-100.html - https://www.radiodrei.de/programm/schema/sendungen/radio3_am_nachmittag/archiv/20240927_1600/radio3_aktuell_1620.html - https://www.ksta.de/panorama/promis/star-aus-harry-potter-und-downton-abbey-dame-maggie-smith-ist-tot-870351
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