19.10.2024
Demokratie im Dialog: Herausforderungen und Perspektiven in Deutschland

ARD-„Machen wir unsere Demokratie kaputt?“: Große Frage, k(l)eine Antwort

Die Dokumentation „Machen wir unsere Demokratie kaputt?“ von Jessy Wellmer, die am 26. August 2024 in der ARD ausgestrahlt wurde, befasst sich mit der aktuellen Situation der Demokratie in Deutschland, insbesondere im Kontext der bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Die zentrale Frage, die sich durch den Film zieht, ist, ob die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland aktiv an der Zerschlagung ihrer eigenen demokratischen Strukturen mitwirken.

Die Dokumentation ist in einem typischen ARD-Stil aufgebaut: Die Moderatorin fährt durch verschiedene Regionen, insbesondere in den Osten Deutschlands, und spricht mit verschiedenen Menschen, die ihre Sichtweise zur Demokratie äußern. Die Auswahl der Gesprächspartner umfasst unter anderem ostdeutsche Lokalpolitiker, Demonstrationsteilnehmer und Wissenschaftler, die die gegenwärtigen Herausforderungen der Demokratie analysieren.

In den Gesprächen wird deutlich, dass viele Menschen, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern, ein tiefes Misstrauen gegenüber der Politik und den etablierten Parteien hegen. Die Anhänger der AfD und anderer rechtspopulistischer Bewegungen äußern häufig die Meinung, dass ihre Stimmen nicht gehört werden und dass die Regierung nicht im Interesse der Bürger handelt. Ein Wissenschaftler, der im Film zu Wort kommt, erklärt, dass die Parteien im Osten Deutschlands weniger verwurzelt sind und die Menschen die Demokratie nicht so lange erlebt haben wie im Westen.

Die Dokumentation gewinnt an Tiefe durch die Stimmen von vier prominenten Persönlichkeiten: Dirk Neubauer, Landrat von Mittelsachsen, der ehemalige Biathlet Erik Lesser, der Kabarettist Dieter Nuhr und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Diese Personen bringen unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen in die Diskussion ein.

Henriette Reker berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen mit Bedrohungen und Gewalt, die sie als Politikerin erfahren hat. Sie wurde 2015 von einem Rechtsextremisten angegriffen und beschreibt die Auswirkungen solcher Angriffe auf die politische Landschaft. Reker betont, dass solche Vorfälle dazu führen, dass weniger Menschen bereit sind, sich politisch zu engagieren, was langfristig der Demokratie schadet.

Dirk Neubauer schildert emotional, wie er durch Drohungen und Einschüchterungen aus der extremen Rechten unter Druck gesetzt wird. Er beschreibt, dass viele Menschen in seinem Wahlkreis ein verzerrtes Verständnis von Demokratie haben und erwartet wird, dass er mit Drohungen umgeht, als wäre das Teil seines Amtes. Neubauer fragt sich, woher diese Auffassung kommt und betont, dass Demokratie ein gemeinschaftlicher Prozess ist, der den Dialog und die Zusammenarbeit erfordert.

Erik Lesser hingegen spricht über die Meinungsfreiheit und das Gefühl, dass viele Menschen in Deutschland nicht mehr offen über ihre Ansichten sprechen können, insbesondere wenn es um kontroverse Themen wie Migration geht. Lesser fordert eine klare Benennung von Problemen und kritisiert, dass Menschen mit bestimmten Ansichten oft in eine rechte Ecke gedrängt werden, was zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft führt.

Dieter Nuhr bringt die Diskussion auf die Meinungsvielfalt und die Gefahren, die eine Verrohung des politischen Diskurses mit sich bringt. Er warnt davor, dass die Bereitschaft, andere Meinungen zu respektieren, zunehmend schwindet, was die demokratische Debatte gefährdet.

Die Dokumentation endet mit der Feststellung, dass die Frage, ob wir unsere Demokratie kaputtmachen, zwar aufgeworfen wird, jedoch keine einfache Antwort darauf gegeben werden kann. Jessy Wellmer, die die Doku moderiert, betont, dass sie die Demokratie schätzt und sie nicht aufgeben möchte, was als pathetische Binsenweisheit interpretiert werden kann. Dennoch bleibt die zentrale Frage unbeantwortet: Wie kann die Demokratie in Deutschland gestärkt und die wachsende Skepsis der Bürger überwunden werden?

Insgesamt bietet die Dokumentation einen vielschichtigen Einblick in die gegenwärtigen Herausforderungen der Demokratie in Deutschland und regt zur Reflexion über die eigene Rolle in diesem System an. Die verschiedenen Perspektiven der Interviewpartner zeigen, dass die Diskussion über die Zukunft der Demokratie in Deutschland komplex und vielschichtig ist, und dass es notwendig ist, einen offenen Dialog zu führen, um die Demokratie zu bewahren und zu stärken.

Die Doku wurde von Beckground TV im Auftrag von NDR und rbb für die ARD produziert und lief am 26. August 2024 um 20:15 Uhr in der ARD.

Weitere
Artikel