Dreieinhalb Jahre nach einem Vorfall bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin wurde ein Verfahren gegen einen Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt eingestellt. Wie die Zeit und der Tagesspiegel berichten, muss der 35-jährige Beamte eine Geldauflage von 6.000 Euro zahlen. 3.000 Euro davon gehen an den betroffenen Demonstranten, die anderen 3.000 Euro an die Berliner Justizkasse.
Der Vorfall ereignete sich im April 2021 im Berliner Tiergarten. Tausende Menschen demonstrierten gegen die damaligen Corona-Maßnahmen. Nach der Auflösung der Versammlung durch die Polizei sollte der Beamte zusammen mit einigen Kollegen verhindern, dass Demonstrationsteilnehmer das Holocaust-Mahnmal betraten. Der Beamte setzte dabei sein Reizgas ein und verletzte einen 67-jährigen Mann aus Hamburg.
Der Angeklagte schilderte vor Gericht seine Sicht der Ereignisse. Er habe zunächst zwei ungezielte Sprühstöße abgegeben, um die Menge zu lenken. Der 67-Jährige sei jedoch stehen geblieben. In der Annahme, der Mann wolle sich den polizeilichen Maßnahmen widersetzen, habe er ihm Reizgas ins Gesicht gesprüht. Der Beamte betonte die Unterzahl der Polizisten gegenüber den Demonstranten: „Sie waren 400, wir nur sieben Beamte.“ Er habe erwartet, dass der Mann zurückweiche, als er mit der Reizgasdose vor ihm stand. Da dieser stehen blieb und ihn am Arm festhielt, habe er sich angegriffen gefühlt und das Pfefferspray eingesetzt, so der Tagesspiegel.
Der 67-Jährige, der nach eigenen Angaben unter gesundheitlichen Problemen leidet, erlitt einen Krampfanfall und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Er gab an, nichts getan und seine Hände gehoben, um seine Friedfertigkeit zu signalisieren. Er empfand den Einsatz des Reizgases als grundlose Gewalt.
Richter Andreas Lascheit sah die Schilderungen des Angeklagten als glaubwürdig an und stellte das Verfahren mit Zustimmung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung ein. Ein zweiter Vorwurf gegen den Beamten, der sich auf einen Vorfall bei einer „Querdenker“-Demonstration im August 2021 bezog, wurde ebenfalls fallen gelassen. Ursprünglich wurde dem Beamten vorgeworfen, einen fixierten Mann geschlagen zu haben. Ein Video bewies jedoch, dass dieser Vorwurf falsch war.
Die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen waren von Beginn an von Kontroversen und Konflikten begleitet, wie auch aus Berichten über andere Demonstrationen, beispielsweise in Schmalkalden (MDR), hervorgeht. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Polizeieinsätzen bei diesen Demonstrationen wurde immer wieder diskutiert, wie auch ein Bericht der Tagesschau zu einer Studie über Polizeigewalt zeigt. Auch die Rolle von Rechtsextremen bei den Protesten wurde thematisiert, wie aus einem Wikipedia-Artikel über die Proteste gegen Schutzmaßnahmen zur COVID-19-Pandemie in Deutschland hervorgeht.
Die Einstellung des Verfahrens gegen den Berliner Polizisten wirft erneut die Frage nach dem Umgang mit Polizeigewalt bei Demonstrationen auf. Bereits 2022 berichtete der Spiegel über die Kritik eines UN-Menschenrechtsexperten an einem "Systemversagen" im Umgang mit Polizeigewalt in Deutschland. Auch die Zeit berichtete über einen Fall in Hamburg, bei dem ein Demonstrant angeklagt wurde, während das Verfahren gegen den beteiligten Polizisten eingestellt wurde.