19.10.2024
Energieeffizienz in Wohnimmobilien auf dem Vormarsch: Weiterhin große Herausforderungen für Klimaziele

Studie: Energieeffizienz von Wohnimmobilien hat sich seit 2014 deutlich verbessert, weiterhin große Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele nötig

Der Anstieg der Energie- und Wohnkosten belastet die Haushalte in Deutschland seit Jahren. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die Erfordernisse des Klimaschutzes im Land. Das im Jahr 2020 erlassene und seitdem fortentwickelte Gebäudeenergiegesetz ist letztlich die gesetzgeberische Antwort auf beide Herausforderungen. Schon vor Verabschiedung des Gesetzes lag die Energieeffizienz von Wohngebäuden im ureigenen Interesse von Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, aber auch von Millionen Privateigentümern, die in die energetische Ertüchtigung ihrer Wohnungen investierten.

Entwicklung der Energieeffizienz

Da amtliche Daten zur Energieeffizienz des Wohnungsbestandes allenfalls lückenhaft vorhanden sind, haben GEWOS und ImmoScout24 rund 1,4 Millionen Wohnungsangebote seit 2014 ausgewertet, um Fortschritte zu messen und zu verorten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Energieeffizienz von Wohnimmobilien seit 2014 signifikant verbessert wurde. Dennoch sind weiterhin große Anstrengungen notwendig, um die Klimaziele zu erreichen.

Regionale Unterschiede

Betrachtet man die Entwicklung regional, zeigt sich im Ausgangsjahr der Untersuchung 2014 ein erhebliches Ost-West-Gefälle. In den östlichen Bundesländern verbesserten umfangreiche Neubau-, Sanierungs- und Rückbauaktivitäten seit der Wiedervereinigung die Energieeffizienz der Wohngebäude erheblich, während der Wohnungsbestand in den westlichen Bundesländern vielerorts große Nachholbedarfe aufwies. So wiesen in Ostdeutschland im Jahr 2014 in einzelnen Regionen oft nur noch ein Drittel der Wohnungsangebote schlechte Energieeffizienzklassen auf (E und schlechter), während dies in den westdeutschen Bundesländern mit wenigen Ausnahmen noch bei mehr als der Hälfte der Wohnungsangebote der Fall war.

Fortschritte in den westdeutschen Regionen

Seit 2014 wurden jedoch auch in den westdeutschen Regionen Fortschritte gemacht. In vielen Regionen, insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg, im südlichen Hessen und den Metropolen mit ihrem Umfeld, aber auch in Teilen Niedersachsens und im Rheinland, wurde der Immobilienbestand energetisch ertüchtigt, so dass in einzelnen Kreisen nun weniger als die Hälfte, in manchen weniger als ein Drittel der angebotenen Wohnungen einen Energiestandard von E oder schlechter aufwiesen. Auch in den östlichen Bundesländern verbesserte sich die vergleichsweise gute Situation weiter.

Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele

Vor dem Hintergrund der gesetzten Klimaziele wird deutlich, dass zukünftig noch große Anstrengungen notwendig sein werden, um diese zu erreichen. Horst Regenscheit, Projektleiter vom Hamburger GEWOS Institut, betont: „Eine der wesentlichen Stellschrauben zur Erreichung der Klimaneutralität ist ein energieeffizienter Wohnungsbestand. Hier wurde in den letzten Jahren viel erreicht, aber trotz deutlicher Fortschritte bleibt der Modernisierungsbedarf nach wie vor sehr hoch.“

Methodik der Studie

Bundesweit hat GEWOS zusammen mit ImmoScout24 rund 1,4 Mio. Inserate aus 400 Landkreisen und Städten ausgewertet, bei denen Angaben zur Energieeffizienz gemacht wurden. Um eventuelle Abweichungen zwischen dem Baualter der inserierten Wohnungen und der Altersstruktur des Immobilienbestands in den einzelnen Regionen berücksichtigen zu können, wurden diese jeweils anhand der Daten des Zensus 2011 und des Zensus 2022 gewichtet.

Über GEWOS

Als unabhängiges Beratungs- und Forschungsinstitut berät GEWOS seit mehr als 50 Jahren private und öffentliche Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Banken, Bausparkassen und Versicherungen, Kammern und Verbände sowie die öffentliche Hand. In den Büros in Hamburg und Berlin entwickelt GEWOS für ihre Kunden maßgeschneiderte und praxisnahe Entscheidungsgrundlagen und Zukunftsstrategien. Das Tätigkeitsspektrum reicht von der Erhebung und Analyse immobilienwirtschaftlicher Daten über die Erstellung von Wohnungsmarkt- und Stadtentwicklungskonzepten bis hin zur wohnungswirtschaftlichen Strategieentwicklung und zum Qualitätsmanagement.

Weitere relevante Studien und Daten

Eine weitere Studie, die von der Sächsischen Energieagentur (SAENA) veröffentlicht wurde, zeigt ähnliche Trends und Herausforderungen. Ein erheblicher Teil der CO2-Emissionen entfällt auf den Gebäudesektor, so dass für die Erreichung der nationalen Klimaziele erforderlich ist, diese in den nächsten Jahren erheblich zu senken. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür finden sich u.a. im Klimaschutzgesetz.

Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern

Allerdings unterscheiden sich die energetischen Qualitäten der Wohnungsbestände in den alten und neuen Bundesländern z.T. erheblich. Nach aktuellen Erhebungen liegen die mittleren Wärmeenergieverbräche der Gebäudebestände des VSWG deutlich zwischen 70 und 90 kWh/m²a. Sachsen verfügt über einen der ältesten Gebäudebestände der Bundesrepublik. Der Großteil der nicht denkmalsgeschützten Gebäude in Sachsen verfügt bereits über eine Dämmung der Gebäudehülle, so dass eine weitere Minderung der CO2-Last aus dem Gebäudebetrieb vorteilhaft durch hierfür geeignete CO2-arme oder CO2-freie Versorgungsstrukturen erfolgen kann.

Erforderliche regionale Datenerfassung

In diesem Zusammenhang ist es jedoch im Vorfeld unerlässlich, eine regional aufgelöste Datenerfassung der Gebäudeenergieverbräuche zu erstellen, um daraus abgeleitet Zielvorgaben zu formulieren, die die strukturellen, sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Besonderheiten der Regionen berücksichtigen. Weiterhin ist zu erfassen, welche Kommunen und Quartiere bereits über Nahwärmeversorgungssysteme verfügen, wie sich diese im Hinblick auf die CO2-Belastung der Wärme darstellen und welche Möglichkeiten regional existieren, die CO2-Belastung unter vertretbaren wirtschaftlichen Randbedingungen zu senken bzw. welcher Förderbedarf existiert, dies zu erreichen.

Langfristige Maßnahmen und Politikinstrumente

Auch aus klimapolitischen Gründen sind Energieeinsparungen im Gebäudesenktor bereits seit vielen Jahren dringend erforderlich. Direkte Emissionen des Gebäudesektors sind für rund 15 Prozent der jährlichen Kohlendioxid(CO2)-Gesamtemissionen Deutschlands verantwortlich. Damit Deutschland die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele erreicht, sind daher auch im Gebäudesektor deutliche Einsparungen notwendig. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2021 zum Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung die Gesetzgebung angepasst und konkrete Klimaziele vor 2050 festgelegt: Im Vergleich zum Jahr 1990 sollen im Gebäudesektor die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent auf dann 67 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr reduziert werden. Bis zum Jahr 2045 soll der Sektor klimaneutral werden.

Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Aus diesem Grund hat die Bundesregierung dieses Jahr einen Vorschlag zur Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vorgelegt, der nach mehreren Verzögerungen am 8. September vom Bundestag verabschiedet wurde. Das GEG legte schon vor der Novelle Mindestanforderungen für die Energieeffizienz von Gebäuden wie die Wärmedämmung und Effizienz der Heizung fest. Die Novelle des GEG besagt nun, dass in Neubaugebieten ab dem 1. Januar 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ab dem 30. Juni 2026 gilt dasselbe für Bestandsgebäude, für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten ab dem 30. Juni 2028. Eigentümer*innen werden Übergangsfristen von fünf Jahren eingeräumt. Funktionierende fossile Heizungen können weiterhin verwendet werden und Reparaturen dieser Heizungen bleiben erlaubt.

CO2-Kostenaufteilungsgesetz

Das GEG ist von weiteren Gesetzen flankiert. Seit Anfang dieses Jahres ist das CO2-Kostenaufteilungsgesetz nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) der Heizkostenverordnung in Kraft. Damit wird der nationale CO2-Preis, der auf die CO2-Emissionen des Heizens aufgeschlagen wird, prozentual auf Mietende und Vermietende aufgeteilt. Je ineffizienter das Gebäude, desto höher ist der Anteil, den die Vermietenden übernehmen muss. Ab 2026 wird der europäische Emissionshandel auf den Gebäudesektor ausgeweitet und dann den nationalen CO2-Preis ersetzen. Damit wird der aktuelle Preis von 30 Euro pro Tonne in einen Preiskorridor von 55 bis 65 Euro überführt, ab 2027 gilt der durch den Emissionshandel entstehende Marktpreis. Das bedeutet, dass Heizen mit fossiler Energie in Zukunft teurer wird, was den Fortschritt bei der Energieeffizienz und beim Heizungsaustausch beschleunigen könnte.

Wärmemonitor 2022

Der DIW-Wärmemonitor analysiert regelmäßig den Heizenergiebedarf und die entstehenden CO2-Emissionen sowie die Heizenergiepreise und -ausgaben der privaten Haushalte in Deutschland. Grundlage des Wärmemonitors sind die Daten des Immobiliendienstleisters ista SE, der bei knapp 300000 Zwei- und Mehrparteienhäusern in Deutschland die Heizenergieabrechnung durchführt. Für das Jahr 2022 liegen bislang die Abrechnungen von etwas mehr als 150000 Haushalten vor.

Rückgänge im Heizenergieverbrauch

Der Heizenergiebedarf pro Quadratmeter ist 2022 zurückgegangen, wenn auch regional in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Durchschnittlich wurden in Zwei- und Mehrfamilienhäusern 123 Kilowattstunden je Quadratmeter beheizter Wohnfläche temperaturbereinigt verbraucht, was einem Rückgang von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr (130 Kilowattstunden) entspricht. In den neuen Bundesländern war der Heizenergiebedarf 2022 mit rund 117 Kilowattstunden pro Quadratmeter weiterhin deutlich niedriger als in den westdeutschen Ländern mit 125 Kilowattstunden. Am höchsten war der Bedarf mit 142 Kilowattstunden im Saarland, während er in Mecklenburg-Vorpommern mit 103 Kilowattstunden am geringsten war.

Einsparungen und Preissteigerungen

Die Einsparungen der privaten Haushalte im vergangenen Jahr werden sich voraussichtlich nicht wiederholen: Zum einen wird der Energiepreisdruck nicht mehr so hoch sein, zum anderen wurden Einsparpotenziale durch Verhaltensanpassungen weitestgehend ausgeschöpft. Nun sind langfristige Maßnahmen wie Investitionen in die Energieeffizienz gefragt. Die Heizenergiepreise sind 2022 im Median auf 7,65 Cent pro Kilowattstunde gestiegen, während sie 2021 noch bei 5,95 Cent lagen. Dieser Anstieg um 29 Prozent hat viele Haushalte getroffen, insbesondere jene, die neue Verträge abgeschlossen haben.

Fazit

Die Studie zeigt, dass in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte bei der Energieeffizienz von Wohnimmobilien erzielt wurden. Dennoch bleibt der Modernisierungsbedarf hoch, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Langfristige Maßnahmen und ein umfassenderes politisches Paket sind erforderlich, um die Energieeffizienz weiter zu steigern und die CO2-Emissionen im Gebäudesektor nachhaltig zu senken.

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