Die EU hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen keine Schadstoffe mehr von Europa aus in die Meere gelangen. Doch ein neuer Bericht des Europäischen Rechnungshofs zeigt, dass die 22 Meeresanrainerstaaten der EU in ihren Bemühungen, die Verschmutzung durch Schiffe einzudämmen, hinterherhinken. Wie die FAZ berichtet, seien die Kontrollen unzureichend, die Sanktionen zu mild, und die Wahrscheinlichkeit, dass Verschmutzer bestraft werden, gering. „Die Umsetzung hinkt hinterher“, wird Rechnungsprüfer Nikolaos Milionis zitiert.
Obwohl Schiffe als eine Hauptquelle der Meeresverschmutzung gelten, ist das tatsächliche Ausmaß des Problems weitgehend unbekannt. Wie der Rechnungshof kritisiert, fehlen verlässliche Daten darüber, wie viel Öl, Schadstoffe und Abfälle tatsächlich von Schiffen ins Meer gelangen und wer die Verursacher sind. Die Europäische Umweltagentur stellte 2019 fest, dass 80 Prozent der EU-Meeresgewässer mit Schadstoffen und 75 Prozent mit Abfällen verunreinigt waren.
Weltweit gelangen jährlich zwischen einer und 4,5 Millionen Tonnen Öl ins Meer. Ölunfälle machen dabei nur einen kleinen Teil der Verschmutzung aus (etwa 10 Prozent). Wesentlich häufiger kommt es zu absichtlichen Einleitungen von Öl oder zur Reinigung von Tanks auf hoher See, was etwa ein Drittel der Ölverschmutzung verursacht. Die FAZ weist darauf hin, dass das Satellitenüberwachungssystem CleanSeaNet der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) zwar bei der Erkennung von Ölverschmutzungen hilft, aber nicht lückenlos ist und auf die Überprüfung durch die Mitgliedstaaten angewiesen ist. Diese Überprüfung erfolgt in Deutschland nur in 30 Prozent der Fälle, EU-weit sogar nur in sieben Prozent. Darüber hinaus kann CleanSeaNet farblose Chemikalien oder Rückstände aus Abgasreinigungssystemen nicht erkennen, was die Notwendigkeit neuer Überwachungsmethoden verdeutlicht.
Jährlich gehen in EU-Gewässern Container über Bord – die Anzahl schwankt stark, von 50 im Jahr 2023 bis über 1000 im Jahr 2021. Diese Container können gefährliche Stoffe wie Kunststoffgranulat freisetzen, das zu Mikroplastik zerfällt und die Umwelt belastet. Wie die FAZ berichtet, wurden von den 1200 Containern, die zwischen 2003 und 2014 in der Nordsee und im Atlantik versanken, nur 49 geborgen. Auch Fischfanggeräte stellen ein erhebliches Problem dar: Laut EU-Rechnungshof stammen 16 Prozent des Mülls an den Stränden aus dem Fischfang.
Der EU-Rechnungshof kommt zu dem Schluss, dass die EU-Mitgliedstaaten ihren eigenen Ansprüchen beim Schutz der Meeresökosysteme nicht gerecht werden. Um die Ziele der EU zu erreichen, empfiehlt der Rechnungshof neben einer besseren Überwachung auch eine einheitlichere Datenerhebung, um die Fortschritte messbar und vergleichbar zu machen. Nur so kann die EU ihre ambitionierten Ziele erreichen und die Meere für zukünftige Generationen schützen. Wie das Europäische Parlament berichtet, werden auch strengere Maßnahmen und höhere Strafen für illegale Einleitungen gefordert, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten.
Zusätzlich zu den bereits genannten Maßnahmen, arbeitet die Europäische Kommission an der Modernisierung der Vorschriften zur maritimen Sicherheit und der Verhinderung von Wasserverschmutzung durch Schiffe. Wie auf der Website der Europäischen Kommission berichtet, wurden im Juni 2023 fünf Gesetzesvorschläge vorgelegt, die unter anderem die Hafenstaatkontrolle und die Untersuchung von Seeunfällen betreffen. Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) wird eine wichtige Rolle bei der Umsetzung dieser neuen Vorschriften spielen. Ein separater Vorschlag sieht Änderungen des EMSA-Mandats vor und umfasst diese neuen Aufgaben. Diese Maßnahmen sollen die EU mit neuen Instrumenten zur Unterstützung einer sauberen und modernen Schifffahrt ausstatten und gleichzeitig gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Branche gewährleisten.