Die Diskussion um eine mögliche Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen wirft komplexe völkerrechtliche Fragen auf. Ein solcher Schritt, wie ihn beispielsweise der ehemalige US-Präsident Donald Trump ins Spiel brachte, stieß auf breite internationale Kritik und wurde von Experten als potenziell völkerrechtswidrig eingestuft. Wie die FAZ berichtete, plante Trump die „Übernahme“ des Gazastreifens und dessen Umwandlung in eine „Riviera des Nahen Ostens“, wobei die rund zwei Millionen palästinensischen Bewohner in anderen arabischen Staaten unterkommen sollten.
Die Vertreibung von Zivilisten aus besetzten Gebieten ist durch Artikel 49 der vierten Genfer Konvention verboten. Dieses Verbot bezieht sich sowohl auf individuelle als auch auf Massenvertreibungen und ist unabhängig von der Motivation des Besatzers. Wie ein Memorandum des Office of Legal Counsel des US-Justizministeriums aus dem Jahr 2004 darlegt, ist der Begriff "Deportation" im Völkerrecht eng definiert und beinhaltet zwingend Gewalt oder die Androhung von Gewalt. Eine freiwillige Umsiedlung wäre demnach nicht per se verboten, jedoch stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Freiwilligkeit unter den Bedingungen einer Besatzung tatsächlich gegeben sein kann.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) definiert in Artikel 7 seines Statuts die „Deportation oder gewaltsame Verbringung von Bevölkerung“ als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese Definition umfasst die erzwungene Vertreibung von Personen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten, durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen, ohne dass dies völkerrechtlich zulässig ist. Auch eine indirekte Form der Vertreibung, die durch die Schaffung unerträglicher Lebensbedingungen oder die Verweigerung grundlegender Rechte erzwungen wird, kann unter diese Definition fallen. Ein Beispiel hierfür ist die Situation palästinensischer Frauen, die den Gazastreifen verlassen müssen, um mit ihren im Westjordanland lebenden Ehepartnern zusammenzuleben, aber nicht zurückkehren dürfen. Wie Dr. Yutaka Arai in einem Amicus Brief ausführt, stellt diese Praxis eine Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit und der Wahl des Wohnorts dar.
Die Frage nach dem Status des Gazastreifens ist in diesem Zusammenhang ebenfalls relevant. Während Israel den Gazastreifen nach dem Abzug seiner Truppen im Jahr 2005 nicht mehr als besetztes Gebiet betrachtet, sehen viele Juristen und internationale Organisationen den Gazastreifen weiterhin als unter israelischer Besatzung stehend an. Diese unterschiedlichen Sichtweisen haben Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Besatzungsrechts und die daraus resultierenden Verantwortlichkeiten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen unter den meisten Szenarien einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen würde. Die Genfer Konventionen und das Statut des IStGH bieten einen klaren Rahmen für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten und Besatzungssituationen. Die Einhaltung dieser Regeln ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine Voraussetzung für die Wahrung der internationalen Rechtsordnung.
Verwendete Quellen:
https://www.faz.net/aktuell/politik/usa-unter-trump/us-regierung-relativiert-trumps-plaene-zum-gazastreifen-110278940.html
https://www.justice.gov/sites/default/files/olc/legacy/2009/12/30/aclu-ii-071604.pdf
https://hamoked.org.il/files/2010/110528.pdf
https://versa.cardozo.yu.edu/opinions/ajuri-v-idf-commander-west-bank