Görlitz, die östlichste Stadt Deutschlands, steht im Fokus einer neuen Ausstellung der Görlitzer Sammlungen, die sich mit der Stadtgesellschaft während der NS-Zeit auseinandersetzt. Wie die FAZ berichtet, will Museumsdirektor Jasper von Richthofen den „nationalsozialistischen Normalzustand“ anhand von Geschichten von Görlitzer Bürgern darstellen – vom Kneipenbesitzer bis zum Pfarrer. Das Museum sammelte diese Geschichten nach einem Aufruf, der, wie die Sächsische Zeitung berichtete, auf Facebook kontroverse Diskussionen auslöste. Von „Schuldkult“ war die Rede und die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit wurde infrage gestellt.
Diese Infragestellung der Erinnerungskultur ist kein lokales Phänomen. Wie die FAZ ebenfalls berichtet, stellt die AfD, die in Görlitz seit Jahren hohe Wahlergebnisse erzielt, die Erinnerungskultur an den Nationalsozialismus immer wieder infrage. Alexander Gauland, AfD-Ehrenvorsitzender, bezeichnete die NS-Zeit als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.
Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Gedenkstättenarbeit verdeutlicht Jens-Christian Wagner, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, im Gespräch mit der FAZ. Er berichtet von zunehmender Bedrohung und Anfeindungen, sowie von einem Anstieg von Übergriffen auf Gedenkstätten. Wagner sieht in der AfD „sowohl Motor als auch Symptom“ eines „erinnerungspolitischen Klimawandels“, der den Diskurs in Richtung Geschichtsrevisionismus verschiebt.
Zurück in Görlitz betont von Richthofen, dass der Nationalsozialismus in der Stadt „praktisch unerforscht“ sei. Wie die FAZ berichtet, will die Ausstellung die Besucher nicht belehren, „wo sie zukünftig ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel setzen sollen“, sondern die Funktionsweise der nationalsozialistischen Gesellschaft verständlich machen. Interessanterweise unterstützt die Görlitzer AfD die Ausstellung bislang, wie die FAZ berichtet. Der Stadtrat, in dem die Partei die stärkste Fraktion stellt, stimmte einstimmig für die Finanzierung.
Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf sind ein weiterer wichtiger Teil der lokalen NS-Geschichte. Wie die Vielfalt-Mediathek dokumentiert, existierte in Görlitz ein Außenlager des KZ Groß-Rosen. Ein Buch von Niels Seidel, erschienen im Neisse Verlag, dokumentiert die Geschichte dieser Lager und den Todesmarsch zwischen Görlitz und Rennersdorf. Die Publikation beleuchtet die Wechselwirkungen zwischen den Konzentrationslagern, der Bevölkerung, der Wirtschaft und dem NS-Staat.
Die Stolpersteine-Initiative Görlitz-Zgorzelec, wie auf slag-aus-ns.de berichtet, organisiert Gedenkveranstaltungen, um an die Opfer der Pogrome im November 1938 zu erinnern. In Görlitz finden sich 81 Stolpersteine, 3 weitere in der polnischen Schwesterstadt Zgorzelec.
Wie die Sächsische Zeitung berichtet, will Museumsdirektor von Richthofen mit Görlitzern die NS-Geschichte der Stadt aufarbeiten. Das Projekt stößt jedoch in den sozialen Medien auf Gegenwind. Trotz der Kritik betont von Richthofen die Notwendigkeit der Aufarbeitung, um die Geschichte der Stadt besser zu verstehen.
Verwendete Quellen:
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/erinnerungskultur-an-ns-zeit-unter-beschuss-110307034.html
https://www.vielfalt-mediathek.de/material/nationalsozialismus/die-kz_aussenlager-goerlitz-und-rennersdorf-1944_1945-ein-beitrag-zur-aufarbeitung-der-geschehnisse-im-konzentrationslager-gross_rosen
https://slag-aus-ns.de/termine/stolpersteine-gehdenken-goerlitz/
https://www.saechsische.de/lokales/goerlitz-lk/ns-forschungen-in-goerlitz-vertrauen-ist-erschuettert-CYDSZ4MUKRYKS43NCOYDASCDSA.html