19.10.2024
Grenzenlose Klänge: Die Einstürzenden Neubauten und ihr neues Album Rampen

Alfred Biolek schauderte. Mit Tinte wollte sein Gast in der Fernsehkochshow „alfredissimo!“ das Risotto aufgießen, was den feinen Gaumen des als Gourmet bekannten Moderators sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Galt der Gast doch ohnehin als personifizierte Avantgarde und schien hier, einem Alchemisten gleich, mit allerhand Zutaten experimentieren zu wollen, ganz egal, ob das Resultat überhaupt genießbar wäre. Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (F.A.S.) berichtet, ereignete sich diese Anekdote in den Neunzigerjahren, als der Sänger Blixa Bargeld mit Alfred Biolek über Musik, die Kunst des Kochens und eben jenes legendäre Tinten-Risotto philosophierte.

Bargeld, Kopf der deutschen Band „Einstürzende Neubauten“, ist bekannt für seinen Hang zum Besonderen, Außergewöhnlichen, nie Dagewesenem. Seit nunmehr 44 Jahren experimentiert die Formation um den Sänger mit Klängen, die sich oft erst beim zweiten Hinhören als Musik im klassischen Sinne entpuppen.

Dass die „Neubauten“ dabei nicht nur auf klassische Instrumente setzen, versteht sich von selbst. Schrottteile, Metallrohre, selbst ein ausrangierter Einkaufswagen dienen ihnen als Klangkörper, um eine einzigartige Soundästhetik zu kreieren, die irgendwo zwischen Industrial, Avantgarde und experimentellem Rock anzusiedeln ist.

Mit ihrem aktuellen Album „Rampen“ ist die Band, die seit 2020 in der Besetzung Blixa Bargeld, N.U. Unruh, Alexander Hacke, Jochen Arbeit, Rudolph Moser und Felix Gebhard auftritt, derzeit auf Tournee und macht dabei auch in Deutschland Halt.

Wie das Online-Magazin „Visions“ berichtet, geht das neue Album auf ein Konzept zurück, mit dem die Band bereits seit den 1980er-Jahren experimentiert: die Rampe. Gemeint sind damit öffentliche Improvisationen, deren Anfang und Ende nicht feststehen. Die Aufnahmen für „Rampen“ entstanden während der „Alles in Allem“-Tour der Band im Jahr 2022. Die Mitschnitte des Zugabenteils dienten dabei als Basis für das Album, das am 5. April über Potomak/Indigo erschien.

„Ich habe auf der Platte ein paar Lösungen gefunden und Dinge formuliert, wie ich sie vorher noch nicht formuliert habe, weil sie mir noch nicht so klar waren“, sagte Bargeld dem Magazin über die Entstehung des Albums. „Ich bin jemand, der denkt, durch Musik Erkenntnisse zu gewinnen. Das war schon immer so.“

Inhaltlich beschäftigt sich „Rampen“ vordergründig mit utopischen Gedankenspielen und Vergänglichkeit. Als Inspiration für das Cover-Artwork diente das „White Album“ der Beatles von 1968.

„Ausgehend von der Idee, dass die Einstürzenden Neubauten in einem anderen Sonnensystem ebenso berühmt sind wie die Beatles in unserer Welt“, erklärte Bargeld.

Die kontinuierliche Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und das Spiel mit musikalischen Grenzverschiebungen – Grenzen, die die Band seit ihrem Debütalbum „Kollaps“ aus dem Jahr 1981 auslotet und mit „Rampen“ weiter vorantreibt. Und zwar mit kryptischen Lyrics und lärmgewaltigen, avantgardistischen Klangwelten.

Wer die „Einstürzenden Neubauten“ einmal live erlebt hat, weiß, dass ihre Konzerte weit über das hinausgehen, was man landläufig unter einem Rockkonzert versteht. Es sind Performances, Happenings, Klangexplosionen, die gleichermaßen faszinieren und verstören können.

Dass die Band auch nach 44 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen gehört, sondern sich immer wieder neu erfindet, beweist „Rampen“ eindrucksvoll. Es ist ein Album, das den Hörer fordert, verstört, aber auch immer wieder in seinen Bann zieht. Ein Album, das zeigt, dass die „Einstürzenden Neubauten“ immer noch eine der innovativsten und spannendsten Bands der Gegenwart sind.

Quellen:

- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.)

- Visions (https://www.visions.de/news/einstuerzende-neubauten-albumankuendigung-tour/)

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