Die Verhaftung eines 39-jährigen Staatsanwalts aus Hannover wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Kokainmafia wirft viele Fragen auf und zieht immer weitere Kreise. Wie die F.A.Z. berichtet, war der Beamte zuständig für die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Rekordfund von 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen im Jahr 2021. Er steht nun unter dringendem Tatverdacht, die Schmuggler gegen Bargeld vorab über geplante Fahndungsmaßnahmen informiert zu haben. Die "Bild"-Zeitung spricht von einer Summe von rund 65.000 Euro, die der Staatsanwalt vom Kokainkartell erhalten haben soll. Das niedersächsische Justizministerium nimmt zu dieser Zahl keine Stellung.
In einer Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags erklärte ein Abteilungsleiter des Justizministeriums, dass aufgrund des mutmaßlichen Geheimnisverrats "viele Beschuldigte" nicht verhaftet werden konnten. Der dringende Tatverdacht gegen den Staatsanwalt habe sich in den vergangenen Wochen durch die Entschlüsselung von Chatnachrichten ergeben.
Besonders brisant ist der Fall, da der Verdacht gegen den Staatsanwalt bereits seit längerem bestand. Schon am 23. November 2022 wurde seine Privatwohnung durchsucht, nachdem Hinweise von Beschuldigten sowie die Auswertung von Handy- und Kontodaten einen Verdacht begründet hatten. An der Durchsuchung war auch die damalige Leiterin der Staatsanwaltschaft Hannover, Katrin Ballnus, anwesend. Tags darauf informierte sie den Abteilungsleiter und den Staatssekretär im Justizministerium persönlich. Ob die damals frisch ernannte Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) ebenfalls informiert wurde, ist laut Ministerium weder dem Abteilungsleiter noch der Ministerin erinnerlich.
Die CDU-Rechtspolitikerin Carina Hermann kritisiert, dass der Staatsanwalt trotz des bestehenden Verdachts weiterhin mit Drogenverfahren betraut war, darunter auch mit dem Fall des riesigen Kokainfunds, bei dem der Verdacht auf Geheimnisverrat gegen ihn bestand. Die Opposition bemängelt zudem, dass die internen Ermittlungen gegen den Staatsanwalt nicht, wie in anderen Fällen üblich, an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben wurden, sondern bei der Staatsanwaltschaft Hannover verblieben. Das Justizministerium begründet dies damit, dass die mit dem Fall betraute Korruptionsermittlerin zuvor selbst in der Drogenabteilung in Hannover tätig war, was "von großem Vorteil" für die Ermittlungen gewesen sei. Die Entscheidung sei zudem nicht vom Ministerium, sondern vom damaligen Generalstaatsanwalt Frank Lüttig in Celle getroffen worden, dessen Nachfolgerin inzwischen Katrin Ballnus ist.
Das erste Verfahren gegen den Staatsanwalt wurde eingestellt, da sich der anfängliche Verdacht nicht erhärten ließ. Da es jedoch weiterhin klare Hinweise auf Geheimnisverrat gab, wurden die Ermittlungen gegen Unbekannt fortgesetzt und später, nach der Entschlüsselung von Kryptonachrichten, das Verfahren gegen den Staatsanwalt wieder aufgenommen. Die CDU kritisiert die Abwesenheit der Justizministerin bei der Ausschusssitzung im Landtag und kündigte einen Fragenkatalog an.
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen zum Umgang mit Whistleblowern auf. Wie die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 4. August 2014 ausführte, ist die Grenze zwischen Geheimnisverrat und Whistleblowing oft fließend. Es stellt sich die Frage, ob die Aufdeckung von illegalen Praktiken, selbst wenn sie unter Verletzung von Geheimhaltungspflichten erfolgt, strafbar sein sollte. Auch die ZEIT berichtete am 9. November 2012 über den Fall von Bradley Manning, der geheime Daten an WikiLeaks weitergegeben hatte und dafür verurteilt wurde. Diese Fälle zeigen die Komplexität der rechtlichen und ethischen Fragen im Zusammenhang mit Geheimnisverrat und der Aufdeckung von Missständen.
Auch im Zusammenhang mit dem "Dieselgate"-Skandal gab es Vorwürfe des Geheimnisverrats, wie Autohaus.de am 22. Januar 2020 berichtete. Volkswagen ging damals gegen den Ex-FBI-Chef Louis Freeh vor, den der Konzern des Geheimnisverrats verdächtigte.
Der Begriff "Geheimnisverrat" umfasst verschiedene Tatbestände, wie die unbefugte Beschaffung, die öffentliche Mitteilung oder die unbefugte Verwertung von Tatsachen, die nicht allgemein zugänglich sind, wie auf Wikipedia erläutert wird.
Quellen: