19.10.2024
Herausforderungen im deutschen Wohnungsbau bis 2026

Wohnungsbau: Prognose für 2026

Der Wohnungsbau in Deutschland steht vor einer signifikanten Herausforderung. Das Münchner Ifo-Institut hat eine ernüchternde Prognose veröffentlicht, die besagt, dass die Anzahl der neu gebauten Wohnungen bis zum Jahr 2026 auf nur noch 175.000 sinken könnte. Dies stellt einen Rückgang von über 40 Prozent im Vergleich zu den knapp 300.000 Wohnungen im Jahr 2022 dar. Ludwig Dorffmeister, ein Baufachmann des Ifo-Instituts, äußert, dass die Prognose zwar mit Unsicherheiten behaftet ist, jedoch die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Zahl der Neubauten unter die 200.000-Marke fallen wird. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zu den Zielen der Berliner Koalition, die beim Amtsantritt im Jahr 2021 angestrebt hat, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen.

Rückgang des Wohnungsbaus in Westeuropa

Die rückläufige Tendenz im Wohnungsbau ist nicht auf Deutschland beschränkt. Im Rahmen des Forschungsnetzwerks Euroconstruct, an dem zahlreiche Wissenschaftler aus Westeuropa beteiligt sind, wurde prognostiziert, dass die Anzahl der Wohnungsneubauten in den 15 westeuropäischen Ländern insgesamt von über 1,5 Millionen auf 1,2 Millionen zurückgehen wird. Experten erwarten, dass der Wohnungsbau in den kommenden zwei Jahren keine grundlegende Besserung erfahren wird. Die Einschätzung von Dorffmeister spiegelt die allgemeine Skepsis der Bau- und Wohnungswirtschaft wider: „Insgesamt habe ich wenig Hoffnung auf die große Trendwende“, so Dorffmeister.

Finanzielle Belastungen und steigende Baukosten

Ein zentraler Faktor für den Rückgang im Wohnungsbau sind die hohen Baukosten und die Inflation. Dorffmeister stellt fest, dass der Wohnungsneubau die negativen Auswirkungen der hohen Inflation und steigender Zinsen stark spürt. In Deutschland haben sich die Baukosten jedoch derart erhöht, dass eine Erholung des Marktes momentan nicht in Sicht ist. Langfristig sollten die Zinsen nicht als alleinige Ausrede für die schwache Bautätigkeit betrachtet werden, da sie mittlerweile wieder auf einem normalen Niveau angekommen sind.

Die Analyse des Statistischen Bundesamts zeigt, dass die Materialkosten, die zuvor stark angestiegen sind, sich stabilisieren, während die Arbeitskosten in den kommenden Jahren voraussichtlich ebenfalls ansteigen werden. Dies wird durch den Tarifabschluss für das Bauhauptgewerbe bedingt, der zusätzliche Kostenzuwächse mit sich bringen dürfte.

Einbruch der Bauanträge

Ein weiterer entscheidender Aspekt in der Prognose ist der drastische Rückgang der Bauanträge und Wohnungsbaugenehmigungen. Im Mai 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt lediglich 17.800 Bauanträge genehmigt, was einen Rückgang von fast 44 Prozent im Vergleich zum Mai 2022 darstellt. Die hohen Baukosten haben viele Wohnungsgenossenschaften und kommunale Unternehmen dazu veranlasst, neue Projekte auf Eis zu legen. Der Grund hierfür ist, dass die Unternehmen gezwungen wären, Mieten weit über dem ortsüblichen Niveau zu verlangen, um die Investitionen innerhalb der üblichen Amortisationszeit von 25 bis 30 Jahren wieder hereinzuholen. In kleineren Städten wären solche Mieten jedoch für viele Menschen unerschwinglich.

Kritik an der politischen Reaktion

Der Wohnungswirtschaftsverband GdW äußert sich besorgt über die Entwicklung im Wohnungsbau und spricht von einem „Trauerspiel ohne Ende“. GdW-Präsident Axel Gedaschko fordert mehr politische Maßnahmen, um dem dramatischen Rückgang entgegenzuwirken. Die fehlenden Baugenehmigungen der Gegenwart führen zu einer Kettenreaktion, die sich in der Zukunft in Form von nicht stattfindenden Baufertigstellungen bemerkbar machen wird. Der Verband vertritt hauptsächlich die Interessen von Wohnungsgenossenschaften und städtischen Unternehmen, die tendenziell günstiger vermieten als private Anbieter.

Ausblick und Fazit

Die Situation im deutschen Wohnungsbau ist angespannt und erfordert dringende Maßnahmen, um eine weitere Verschärfung der Wohnungsnot zu vermeiden. Die Prognosen deuten auf einen signifikanten Rückgang der Neubauten hin, was nicht nur die Baubranche, sondern auch die gesamte Gesellschaft betreffen könnte. Angesichts der aktuellen Herausforderungen wird es für alle Beteiligten, seien es politische Entscheidungsträger, Bauunternehmen oder Wohnungsuchende, wichtig sein, neue Wege zu finden, um die Wohnungsbaukrise zu bewältigen. Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen ergriffen werden und ob die gesetzten Ziele zur Wohnraumschaffung in der Zukunft realistisch bleiben.

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