24.10.2024
Hoffnung und Handlungsbedarf: Paul Collier über abgehängte Regionen und die Zukunft der Weltwirtschaft

„Großbritannien hat in den vergangenen Jahrzehnten die Erfahrung machen müssen, dass sich abgehängte Regionen nicht von allein erholen“, sagt der Entwicklungsökonom Paul Collier im Gespräch mit der F.A.Z.. Collier ist Professor in Oxford und hat sich mit seinen Büchern über die Ursachen von Armut und Bürgerkriegen weltweit einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch „Aufstieg der Abgehängten“ analysiert er die Gründe für den Niedergang ehemaliger Industrieregionen und die hartnäckige Armut in Afrika.

Besonders besorgniserregend sei die Situation in den ehemaligen Industriezentren Nordenglands. „Die jüngsten Krawalle in einigen Städten sind ein Ausdruck der Hoffnungslosigkeit und Frustration, die dort herrscht“, so Collier. Die britische Regierung habe es versäumt, rechtzeitig zu investieren und den Menschen neue Perspektiven zu bieten. „Die Abgehängten fühlen sich von der Politik im Stich gelassen und wenden sich extremen Parteien zu“, warnt der Ökonom.

Doch nicht nur in Großbritannien, auch in anderen Industrienationen sieht Collier die Gefahr einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. „Die Globalisierung und der technologische Wandel haben zu einer Konzentration von Wohlstand in den Metropolen geführt“, erklärt er. Die ländlichen Regionen und ehemaligen Industriestandorte würden abgehängt.

Als Beispiel nennt Collier die Stadt Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania. Einst ein Zentrum der Stahlindustrie, kämpft Pittsburgh seit Jahrzehnten mit den Folgen des Niedergangs. „Doch Pittsburgh hat es geschafft, sich neu zu erfinden“, so Collier. Die Stadt habe in Bildung und Technologie investiert und neue Arbeitsplätze geschaffen.

Für Collier ist Pittsburgh ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, den Niedergang abgehängter Regionen zu stoppen. „Es braucht aber ein klares Bekenntnis der Politik und massive Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Innovation“, betont er. Nur so könne es gelingen, den Menschen neue Perspektiven zu geben und die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.

Besonders düster sieht Collier die Lage in Afrika. „Die unterste Milliarde der Weltbevölkerung wird noch ärmer“, warnt er. Die Gründe dafür seien vielfältig: Bürgerkriege, Korruption, schlechte Regierungsführung und der Klimawandel. „Viele afrikanische Länder sind in einer Abwärtsspirale gefangen“, so Collier.

Ein großes Problem sei die hohe Geburtenrate in Afrika. „Die Bevölkerung wächst schneller als die Wirtschaft“, erklärt Collier. Dies führe zu einem Teufelskreis aus Armut, Hunger und Konflikten.

Hinzu komme, dass viele afrikanische Länder von Rohstoffexporten abhängig seien. „Rohstoffe sind ein Fluch und kein Segen“, sagt Collier. Die hohen Preise für Öl, Gas und Mineralien würden zwar kurzfristig für Einnahmen sorgen, langfristig aber zu Korruption und einem Verfall der Wirtschaft führen.

Collier fordert ein radikales Umdenken in der Entwicklungspolitik. „Wir müssen weg von der Entwicklungshilfe und hin zu einer Politik, die den Menschen in Afrika hilft, sich selbst zu helfen“, sagt er. Dazu gehöre die Förderung von Bildung, die Bekämpfung von Korruption und die Schaffung von fairen Handelsbedingungen.

Collier ist überzeugt, dass es möglich ist, die Armut in Afrika zu besiegen. „Aber es braucht einen langen Atem und ein gemeinsames Engagement der internationalen Gemeinschaft“, betont er. „Wir dürfen die Menschen in Afrika nicht aufgeben.“

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/paul-collier-die-unterste-milliarde-wird-noch-aermer-110064949.html

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