19.10.2024
Jan Assmanns Vermächtnis: Ein Leben im Dienst des kulturellen Gedächtnisses
Der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann, der das Konzept des kulturellen Gedächtnisses maßgeblich prägte, ist im Alter von 85 Jahren in Konstanz verstorben. Dies bestätigte die Universität Heidelberg, mit der er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 als Professor für Ägyptologie eng verbunden war. Sein Tod markiert den Abschied von einem Universalgelehrten, der über die Grenzen seines Fachbereichs hinaus Anerkennung fand und dessen wissenschaftliches Erbe das Verständnis von Kultur und Erinnerung nachhaltig beeinflusst hat. Jan Assmann wurde 1938 in Langelsheim bei Goslar geboren und wuchs in Lübeck und Heidelberg auf. Schon früh zeigte sich sein Interesse an den alten Sprachen, insbesondere der Keilschrift und den Hieroglyphen. Entgegen dem Wunsch seiner Eltern entschied sich der Architektensohn für das Studium der Ägyptologie, das er in Heidelberg aufnahm und mit großem Erfolg abschloss. Zu den Höhepunkten seiner akademischen Karriere zählt die Entdeckung einer Grabstätte im Tal der Könige. Seine Forschungen erstreckten sich von der Religionsgeschichte und Todesvorstellungen im alten Ägypten bis hin zur Entstehung des Monotheismus, dessen Anfänge er im Auszug der Israeliten aus Ägypten verortete. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Literaturwissenschaftlerin und Anglistin Aleida Assmann, entwickelte er das Konzept des kulturellen Gedächtnisses, das die Bedeutung von Tradition und Wiederholung für kollektives Erinnern betont und vom subjektiven Gedächtnis abgrenzt. Dieses Konzept hat die kulturwissenschaftliche Forschung weitreichend beeinflusst und zur Etablierung des Begriffs "Erinnerungskultur" beigetragen, insbesondere in Bezug auf das Gedenken an den Holocaust. Jan und Aleida Assmanns gemeinsame Arbeit führte zur Verleihung zahlreicher Auszeichnungen, darunter der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels im Jahr 2018. Der Preis würdigte ihr Lebenswerk und ihren Beitrag zum Verständnis der Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit der Religionen. Ihre Publikationen reichen von "Die Zauberflöte. Eine Oper mit zwei Gesichtern" über "Tod und Jenseits im alten Ägypten" bis zu "Religion und kulturelles Gedächtnis" und regten Wissenschaftler in den verschiedensten Disziplinen an. Abseits seiner akademischen Laufbahn war Musik eine große Leidenschaft von Jan Assmann. In seiner Jugend komponierte er eigene Stücke, doch eine mögliche Musikerkarriere wurde durch die traumatischen Erlebnisse des Krieges verhindert. Dennoch blieb die Musik ein zentraler Teil seines Lebens, wie sich auch in seinen wissenschaftlichen Arbeiten widerspiegelt. Jan Assmann hinterlässt seine Ehefrau Aleida und fünf erwachsene Kinder. Das Paar hat mit seiner Forschung zu einer neuen Art der Erinnerungskultur beigetragen, die das kollektive Gedächtnis ganzer Gesellschaften prägt. Sein Vermächtnis wird in den Werken und Erkenntnissen weiterleben, die er der Welt hinterlassen hat.
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