19.10.2024
Julian Assange am Scheideweg: Pressefreiheit versus Staatsgeheimnis
Seit 2019 sitzt Julian Assange, der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, in einem Hochsicherheitsgefängnis in London ein. Der Australier, der durch die Veröffentlichung hunderttausender geheimer Dokumente über die Militäreinsätze der USA im Irak und in Afghanistan Bekanntheit erlangte, steht im Zentrum eines juristischen Tauziehens, das nun in die womöglich letzte Runde geht. Das Londoner Gericht muss entscheiden, ob Assanges Rechtsmittel ausgeschöpft sind oder ob ihm weitere rechtliche Schritte in Großbritannien offenstehen. Die Entscheidung des High Court in London wird mit Spannung erwartet, da sie weitreichende Folgen für Assange haben könnte. Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass keine weiteren rechtlichen Möglichkeiten in Großbritannien bestehen, steht der Weg für seine Auslieferung in die USA offen. Dort ist Assange wegen Spionage angeklagt, weil er rund 700.000 vertrauliche Dokumente veröffentlicht haben soll, die unter anderem Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen ans Licht brachten. Im Falle einer Verurteilung würden ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen. Die Causa Assange hat weltweit für Aufsehen gesorgt, da sie grundlegende Fragen der Pressefreiheit, des Schutzes von Whistleblowern und des Umgangs mit staatlichen Geheimnissen berührt. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände und Bürgerrechtsgruppen sehen in dem Vorgehen gegen Assange einen Präzedenzfall, der die Arbeit von Journalisten und Medien weltweit beeinträchtigen könnte. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die Anwendung des US-amerikanischen Espionage Act, der über ein Jahrhundert alt ist und noch nie zuvor gegen einen Journalisten angewandt wurde. Assange hat während seiner Zeit im Londoner Gefängnis Belmarsh mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt. Seine Unterstützer und seine Ehefrau Stella Assange warnen vor den Folgen einer Auslieferung und der dort drohenden harten Haftbedingungen, die als "Todesurteil" für Assange angesehen werden könnten. Die Vereinigten Staaten beharren auf ihrer Anklage, die darauf abzielt, Assange für die Veröffentlichung von Dokumenten zur Verantwortung zu ziehen, die nach Ansicht der US-Behörden auch das Leben von US-Informanten gefährdet haben sollen. Die Anklage wirft Assange vor, er habe als Hacker gehandelt und nicht als Journalist. Diese Einschätzung wird allerdings von vielen Medienorganisationen und Rechtsexperten bestritten, die in Assange einen Enthüller von Missständen sehen. Sollte der High Court die Berufung Assanges ablehnen, bliebe ihm theoretisch noch der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), um eine Auslieferung abzuwenden. Allerdings ist ungewiss, ob und wie schnell der EGMR in diesem Fall entscheiden würde und ob eine solche Entscheidung in Großbritannien Beachtung fände. Assange steht somit möglicherweise vor dem schwierigsten Kapitel seiner langjährigen juristischen Auseinandersetzung. Der Fall Assange wird auch weiterhin politische Kreise und die öffentliche Debatte über die Grenzen der nationalen Sicherheit und die Freiheit der Presse beschäftigen. Die Entscheidung des Londoner Gerichts wird nicht nur für den persönlichen Rechtsweg von Assange, sondern auch für die Zukunft des investigativen Journalismus von Bedeutung sein.
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