19.10.2024
Künstlerische Freiheit unter Druck: Urteil gegen Berkowitsch und Petrijtschuk in Russland

Repression in Russland: Sechs Jahre Haft für ein Theaterstück

In einem bemerkenswerten und umstrittenen Urteil hat ein Militärgericht in Moskau die Theaterregisseurin Jewgenia Berkowitsch und die Dramatikerin Swetlana Petrijtschuk zu jeweils sechs Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf lautete auf „Rechtfertigung des Terrorismus“ in ihrem Theaterstück „Finist, der tapfere Falke“, das sich mit dem Thema der sogenannten „ISIS-Bräute“ auseinandersetzt. Diese Verurteilung ist nicht nur ein Beispiel für die zunehmende Repression gegen Künstler in Russland, sondern auch ein Spiegelbild der politischen Justiz im Land.

Das besagte Stück, das 2020 uraufgeführt wurde, erzählt die Geschichte russischer Frauen, die in den Dschihadismus abgleiten und in den Konflikt in Syrien verwickelt werden. Es basiert auf realen Ereignissen und dokumentarischen Materialien, die aus Verhören und Gerichtsprotokollen stammen. Trotz der initialen Anerkennung durch das russische Kulturministerium und der Auszeichnung mit dem prestigeträchtigen Theaterpreis „Goldene Maske“ wurde das Stück nun zum Gegenstand eines politischen Prozesses, der die Freiheit der Kunst in Russland stark einschränkt.

Die Anklage gegen Berkowitsch und Petrijtschuk wurde von staatlich bestellten „Experten“ unterstützt, die behaupteten, das Stück enthielte Elemente einer radikal-feministischen Ideologie und glorifiziere Terroristen. Diese Argumentation wurde von den Angeklagten zurückgewiesen, die betonten, dass ihr Werk eine Warnung vor den Gefahren des Extremismus darstelle und nicht dessen Unterstützung. Berkowitsch erklärte während des Prozesses, dass das Stück die Realität darstelle, in der viele Frauen zufällige Opfer des Bösen würden.

Die Verhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, was für viele Beobachter ein weiteres Zeichen für die undemokratischen Praktiken der russischen Justiz ist. Während des Prozesses äußerten sich zahlreiche Unterstützer der Künstlerinnen, darunter auch politische Oppositionsvertreter, die die Anklage als politisch motiviert und als Teil einer breiteren Repressionskampagne gegen kritische Stimmen im Land ansahen.

Die Verurteilung von Berkowitsch und Petrijtschuk ist nicht das erste Beispiel für die Repression gegen Künstler in Russland. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Jahr 2022 haben zahlreiche Künstler, Schriftsteller und Journalisten, die sich gegen die Regierung oder den Krieg ausgesprochen haben, ähnliche Schicksale erlitten. Viele von ihnen wurden entlassen, inhaftiert oder mussten ins Exil gehen, um der Verfolgung zu entkommen.

Die Repression gegen Kulturschaffende hat in Russland eine lange Tradition, die bis in die Sowjetzeit zurückreicht. Die aktuellen Entwicklungen zeigen jedoch, dass die Situation sich weiter verschlechtert hat. Kritiker des Regimes befürchten, dass die Verurteilung von Berkowitsch und Petrijtschuk ein Signal an die gesamte Kulturszene ist, dass jegliche Form von Kritik an der Regierung oder dem Krieg nicht toleriert wird.

Die Anwältin der beiden Frauen kündigte an, gegen das Urteil Berufung einzulegen, obwohl sie die Erfolgsaussichten als gering einschätzte. Unterstützer der Künstlerinnen fordern internationale Aufmerksamkeit und Solidarität, um auf die repressiven Maßnahmen der russischen Regierung aufmerksam zu machen. In einer Zeit, in der die Freiheit der Kunst und der Meinungsäußerung weltweit unter Druck steht, ist der Fall von Berkowitsch und Petrijtschuk ein eindringlicher Appell für den Schutz dieser fundamentalen Rechte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verurteilung von Jewgenia Berkowitsch und Swetlana Petrijtschuk nicht nur eine Tragödie für die beiden Künstlerinnen ist, sondern auch ein alarmierendes Zeichen für die Lage der Menschenrechte und der künstlerischen Freiheit in Russland. Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, sich für die Rechte der Kulturschaffenden einzusetzen und die repressiven Tendenzen im Land zu verurteilen.

Die Entwicklungen in diesem Fall sind ein Lehrstück über die Herausforderungen, vor denen Künstler in autoritären Regimen stehen, und verdeutlichen die Notwendigkeit, die Stimme derjenigen zu unterstützen, die für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen.

Quellen: F.A.Z., Washington Post, Tagesschau, Der Spiegel, SRF.

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