October 3, 2024
Kultur im Umbruch nach der Nationalratswahl 2024 in Österreich

Österreichs Kulturszene und der Wahlausgang

Die österreichische Nationalratswahl 2024 hat ein politisches Erdbeben ausgelöst und die Kulturszene des Landes in Schock und Ungewissheit versetzt. Der deutliche Sieg der FPÖ, einer Partei mit rechtspopulistischem und nationalistischem Hintergrund, hat bei vielen Künstlern, Schriftstellern, Theatermachern und Musikern die Sorge vor einem Kulturwandel mit ungewissem Ausgang geweckt.

Stimmen der Besorgnis und des Protests

In den Tagen nach der Wahl äußerten sich zahlreiche prominente Vertreter der österreichischen Kulturszene besorgt über den Wahlausgang. Die Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, bekannt für ihre scharfzüngigen und gesellschaftskritischen Werke, kommentierte das Ergebnis mit den Worten: „Nein, es ist alles gesagt, außer: Angesagte Katastrophen finden statt.“ Dieser Satz, kurz und prägnant, spiegelt die Stimmung vieler Kulturschaffender wider, die in dem Wahlergebnis eine Bedrohung für die Freiheit der Kunst und die liberale Demokratie sehen.

Auch der Dramatiker Thomas Köck, der sich in seinem Werk intensiv mit den politischen Verwerfungen in Österreich auseinandersetzt, zeigte sich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk wenig überrascht, aber dennoch frustriert: „In Österreich wurde die Zweite Republik, die Nachkriegsordnung, eigentlich abgewählt.“ Köck befürchtet, dass der Wahlerfolg der FPÖ zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft und einer Schwächung demokratischer Werte führen könnte.

Besonders deutlich wurde die Kritik an der FPÖ und ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl in den sozialen Medien. Die Schriftstellerin Stefanie Sargnagel, bekannt für ihren bissigen Humor, schrieb auf Instagram: „Leute aus den Überschwemmungsgebieten, die Klimawandelleugner wählen – man braucht da nicht mehr paternalistisch agieren. Man muss sie einfach direkt fragen, wer ihnen ins Hirn geschissen hat.“ Sargnagels Kommentar verdeutlicht die tiefe Enttäuschung und den Unmut vieler Kulturschaffender über das Wahlergebnis.

Befürchtungen und Hoffnungen

Die Besorgnis der Kulturszene richtet sich vor allem auf die kulturpolitischen Pläne der FPÖ. Die Partei hat im Wahlkampf angekündigt, die Kulturförderung in Österreich grundlegend zu reformieren und stärker auf die „traditionelle“ österreichische Kultur zu fokussieren. Kritiker befürchten, dass dies zu einer Einschränkung der künstlerischen Freiheit und einer Marginalisierung von Kunstformen führen könnte, die nicht dem ideologischen Weltbild der FPÖ entsprechen.

Kay Voges, Intendant des Wiener Volkstheaters, warnte im Gespräch mit dem BR vor einer „großen Säuberung der linken Kultur-Schickeria“, die von FPÖ-Seite angedroht worden sei. Voges sieht in dem Wahlergebnis eine „Gefährdung für die Kultur, es ist eine Gefährdung für die Demokratie“. Er forderte die Kulturszene auf, sich dem Rechtsruck in der Politik entgegenzustellen und die Demokratie mit allen Mitteln zu verteidigen.

Trotz der düsteren Aussichten gibt es auch Stimmen, die sich zuversichtlich zeigen. Der Kabarettist Thomas Maurer, der sich in seinen Programmen regelmäßig mit der österreichischen Politik auseinandersetzt, sieht in dem Wahlergebnis auch eine Chance für die Satire. „Herrliche Zeiten fürs Kabarett“, schrieb er auf Twitter. Maurer glaubt, dass die FPÖ mit ihrer Politik viel Stoff für satirische Auseinandersetzungen liefern wird.

Die Rolle der Kultur in einer polarisierten Gesellschaft

Der Wahlausgang in Österreich hat einmal mehr die Bedeutung der Kultur in einer demokratischen Gesellschaft verdeutlicht. Kunst und Kultur sind nicht nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, sondern auch ein Ort der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konflikten und der Suche nach neuen Wegen. In Zeiten zunehmender Polarisierung und politischer Radikalisierung kommt der Kultur eine besondere Verantwortung zu, den Dialog zu fördern, Toleranz zu stärken und für die Werte einer offenen und pluralistischen Gesellschaft einzustehen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kulturpolitik der neuen österreichischen Regierung gestalten wird. Die Kulturszene des Landes steht vor großen Herausforderungen, aber auch vor der Chance, ihre Stimme zu erheben und für ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/oesterreich-wahl-kulturszene-reagiert-mit-entsetzen-sarkasmus-und-erschoepfung-110024683.html
  • https://www.br.de/nachrichten/kultur/kulturszene-oesterreichs-zur-wahl-keine-ueberraschung-aber-frust,UPrPxC2
  • https://www.deutschlandfunkkultur.de/heimatkunst-und-kuerzungen-oesterreichs-kulturszene-vor-den-wahlen-podcast-dlf-kultur-064acd8d-100.html
  • https://www.diepresse.com/18916195/elfriede-jelinek-zu-wahlausgang-angesagte-katastrophen-finden-statt
  • https://www.ndr.de/kultur/Nach-der-Wahl-in-Oesterreich-Ist-die-Kunstfreiheit-in-Gefahr,voges158.html
  • https://www.salzburg24.at/themen/wahlen-in-salzburg/nationalratswahl/kulturszene-reagiert-geschockt-und-erschuettert-auf-nr-wahlergebnis-165910978
  • https://www.zdf.de/kultur/aspekte/salzkammergut-kulturhaupstadt-ischl-nationalratswahlen-oesterreich-100.html
  • https://www.deutschlandfunkkultur.de/widerstand-der-kultur-gegen-rechts-nach-dem-fpoe-wahlsieg-podcast-dlf-kultur-811b2c06-100.html
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