Die 1965 in Verdun, Frankreich, geborene Nicole Eisenman gilt als eine der wichtigsten Künstlerinnen ihrer Generation. Malerei, Zeichnung und Skulptur vereinen sich in ihrem Schaffen zu einer einzigartigen Mischung aus kunsthistorischen Bezügen, Popkultur und einer ungeschminkten Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konventionen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Atelierbesuch im Januar 2025 berichtete, lebt und arbeitet Eisenman in Brooklyn, New York, wo sich ihr Atelier in ihrem Wohnhaus befindet.
Eisenmans Karriere startete fulminant mit einer Einladung zur Whitney Biennale 1995, einem wichtigen Karrieresprungbrett für junge Künstler*innen. Die anfängliche Freude wich jedoch der Enttäuschung, als ihr Werk nicht wie geplant im zweiten Stock, sondern im Keller des Museums platziert wurde. Als Reaktion auf diese ihrer Meinung nach herabsetzende Platzierung schuf sie innerhalb weniger Tage das monumentale Wandbild "Self-Portrait with Exploded Whitney", das das Museum als Ruine darstellt. Die FAZ zitiert Eisenman: „Wie würde ich mein Werk sichtbarer machen? […] Meine Idee bestand darin, das ganze Museum in die Luft zu jagen, sodass nichts außer meiner Wand im Keller des Whitney übrig bleiben würde.“ Dieses frühe Werk, so Eisenman gegenüber der FAZ, verdeutliche, wie aus einem Gefühl ein narratives Bild entstehen kann.
Das "explodierte Whitney" ist nicht nur eine scharfe Kritik am Kunstbetrieb, sondern auch eine Allegorie auf Eisenmans damalige persönliche Situation. Gegenüber der FAZ offenbarte sie, dass sie zu dieser Zeit eine durch ihre Drogensucht bedingte Krise durchmachte. Im Wandbild erscheint sie nicht nur als malende Künstlerin, sondern auch als liegende, leidende Figur, die von einer Ärztin gerettet wird. Dieses autobiografische Detail, so die FAZ, verleiht dem Werk eine zusätzliche Bedeutungsebene.
Eisenmans künstlerische Einflüsse sind vielfältig und reichen von Renaissance-Wandmalereien, insbesondere den Fresken Andrea Mantegnas, über die mexikanischen Muralisten bis hin zu den französischen Impressionisten. Die FAZ zitiert Eisenman: „Das war die Handelsroute meiner Malerei: Die mexikanischen Wandmaler schauten auf die italienischen, und die amerikanischen schauten auf die mexikanischen.“ Einen Besuch im Musée d’Orsay in Paris um 2008 beschreibt sie als „Offenbarung“. Ihre künstlerische Inspiration, so Eisenman, sei „von Süden nach Norden gewandert, von Italien nach Frankreich“.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich Eisenman als wichtige Stimme der LGBTQ-Community etabliert. Ihre Werke hinterfragen soziale und sexuelle Rollenbilder, stellen dysfunktionale Familienverhältnisse mit beißendem Spott dar und verbinden dabei kunsthistorische Motive mit Elementen der Popkultur, wie im Kunstforum International beschrieben. Ihre anfangs stark figurative Malerei hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und umfasst zunehmend abstrakte Elemente. Oftmals treten verschiedene Stile und Ausdrucksformen innerhalb eines einzigen Bildes in Dialog.
Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) im April 2023 anlässlich der Ausstellung "What Happened" im Museum Brandhorst in München betonte, thematisiert Eisenman in ihren Werken aktuelle gesellschaftliche Probleme wie die Klimakatastrophe und männliche Gewalt. Die Ausstellung im Museum Brandhorst, die laut der Museumswebsite von März bis September 2023 lief, bot einen umfassenden Überblick über Eisenmans Schaffen. Auch die Kunsthalle Zürich präsentierte bereits 2007 eine Einzelausstellung der Künstlerin, wie auf ihrer Website dokumentiert ist.
Eisenman legt Wert auf den sozialen Aspekt ihrer künstlerischen Praxis. Die FAZ zitiert sie: „Das Atelier ist ein sehr einsamer Ort.“ Um dem entgegenzuwirken, bezieht sie Freunde und Bekannte in ihre Arbeit ein, wie beispielsweise in dem Gemälde "Abolitionists", das eine Demonstration im New Yorker City Hall Park nach dem Tod von George Floyd zeigt. Auch in anderen Werken, wie "Coping" von 2008, verarbeitet Eisenman persönliche Erfahrungen.
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