19.10.2024
Rückblick und Ausblick: Die Dynamik rechtsextremer Gewalt in Ostdeutschland

Podcast „Springerstiefel“: Ist die rechtsextreme Gewalt zurück?

Der neue ARD-Podcast „Springerstiefel“ beschäftigt sich mit der Frage, ob die rechtsextreme Gewalt in Deutschland, insbesondere in Ostdeutschland, wieder auf dem Vormarsch ist. Die zweite Staffel des Podcasts, die am 6. August 2024 startete, beleuchtet die Entwicklungen in den letzten Jahren und zieht Parallelen zu den gewalttätigen Ausschreitungen der 1990er Jahre, insbesondere den fremdenfeindlichen Exzessen in Rostock-Lichtenhagen.

Vor 32 Jahren, im Jahr 1992, kam es in Rostock-Lichtenhagen zu massiven Ausschreitungen, bei denen ein Mob vor einer Flüchtlingsunterkunft randalierte. Molotowcocktails, Schlägereien mit der Polizei und rechtsextreme Parolen prägten das Bild. Tausende Menschen, darunter Neonazis, konservative Bürger und Jugendliche, die sich für Krawall begeisterten, versammelten sich, um ihre Gewaltbereitschaft zu demonstrieren. Diese Ereignisse sind nicht nur Teil der deutschen Geschichte, sondern werfen auch einen Schatten auf die Gegenwart.

In der aktuellen Podcast-Staffel reisen die Hosts Hendrik Bolz und Don Pablo Mulemba durch Ostdeutschland und sprechen mit verschiedenen Personen, die unterschiedliche Perspektiven auf die Thematik haben. Sie treffen unter anderem auf eine Zittauerin, deren Sohn sich der rechtsextremen Szene angeschlossen hat, sowie auf die Tochter eines vietnamesischen Vertragsarbeiters, die in den Nullerjahren mit Neonazis in Cottbus konfrontiert wurde. Zudem wird die Geschichte eines Tunesiers erzählt, der 2018 in Chemnitz Opfer rassistischer Hetzjagden wurde. Diese persönlichen Erzählungen sollen dazu beitragen, die Ursachen für die Rückkehr rechtsextremer Ideologien und Gewalt zu verstehen.

Die Frage, die sich durch den Podcast zieht, ist: Was ist seit den 90er Jahren in Ostdeutschland geschehen? Warum scheinen rechtsextreme Ansichten bei vielen Jugendlichen wieder populär zu werden? Und war die Gewalt jemals wirklich verschwunden? Diese Themen werden in den verschiedenen Episoden behandelt, die sich mit den Lebensrealitäten und Herausforderungen der Menschen in Ostdeutschland auseinandersetzen.

Ein zentrales Anliegen des Podcasts ist es, die Kontinuität rechtsextremer Strukturen und Gewalt in Ostdeutschland zu beleuchten. Viele der rechtsextremen Clubs, die heute Jugendliche anziehen, wurden bereits in den 90ern gegründet. Die Hosts argumentieren, dass die soziale Isolation, die während der Corona-Pandemie verstärkt wurde, viele Jugendliche in die Arme der rechtsextremen Szene getrieben hat. Während Sportvereine und andere soziale Einrichtungen geschlossen blieben, öffneten rechtsextreme Jugendclubs weiterhin ihre Türen und boten den Jugendlichen einen Ort, an dem sie sich verstanden fühlten.

Die zweite Staffel von „Springerstiefel“ ist nicht nur eine Rückschau auf die Vergangenheit, sondern auch eine Analyse der gegenwärtigen Situation. Der Podcast thematisiert, wie rechtsextreme Netzwerke sich neu beleben und Jugendliche anziehen, die sich in Zeiten von Unsicherheit und Krisen überfordert fühlen. Die Hosts kritisieren, dass es an einer klaren Gegenrede und Konsequenzen für rechtsextreme Äußerungen mangelt, was dazu führt, dass Jugendliche durch Gewalt Anerkennung finden.

Ein weiterer Aspekt, der im Podcast behandelt wird, ist die Rolle der sozialen Medien. Diese Plattformen haben es rechtsextremen Gruppen erleichtert, ihre Ideologien zu verbreiten und junge Menschen zu beeinflussen. Das menschenfeindliche Gedankengut, das dort propagiert wird, war nie wirklich verschwunden, sondern hat sich nur in neuen Formen gezeigt.

Die persönlichen Geschichten, die im Podcast erzählt werden, sind bewegend und zeigen die Auswirkungen rechtsextremer Gewalt auf das Leben der Betroffenen. Die Hosts bemühen sich, die Perspektiven der Opfer und der Täter zu verstehen und die komplexen Zusammenhänge zu beleuchten, die zu einer Radikalisierung führen können. Dabei wird deutlich, dass es nicht nur um individuelle Entscheidungen geht, sondern auch um gesellschaftliche Strukturen und historische Kontinuitäten.

„Springerstiefel“ wurde für den CIVIS Medienpreis nominiert und hat sich als wichtiger Beitrag zur Diskussion über Rechtsextremismus in Deutschland etabliert. Der Podcast bietet nicht nur eine Plattform für persönliche Geschichten, sondern regt auch zum Nachdenken über Lösungen an. Die Hosts fordern, dass die Gesellschaft nicht nur auf die Geschichten von Gewalt und Diskriminierung reagiert, sondern aktiv an der Schaffung von Gegenstrategien arbeitet.

Insgesamt bietet der Podcast „Springerstiefel“ einen tiefen Einblick in die Herausforderungen, mit denen Ostdeutschland konfrontiert ist, und beleuchtet die Gefahren, die von rechtsextremen Ideologien ausgehen. Die Frage, ob die rechtsextreme Gewalt der 90er Jahre zurück ist, bleibt offen, doch die Geschichten und Analysen im Podcast zeigen, dass die Problematik nach wie vor aktuell und besorgniserregend ist.

Der Podcast ist in der ARD Audiothek und auf verschiedenen Plattformen verfügbar. Er lädt die Hörer ein, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und über die gesellschaftlichen Herausforderungen nachzudenken, die mit der Rückkehr rechtsextremer Gewalt verbunden sind.

Quellen: FAZ, MDR, taz.

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