28.10.2024
Russlands schwindende Panzerreserven im Ukrainekrieg

Russland erleidet im Ukrainekrieg schwere Verluste an Kriegsgerät, insbesondere an Panzern. Wie die FAZ berichtet, zerstören ukrainische Soldaten täglich durchschnittlich drei russische Kampfpanzer. Seit Kriegsbeginn summieren sich die Verluste auf russischer Seite auf über 3000 Panzer. Die FAZ beruft sich dabei auf Daten der Open-Source-Plattform Oryx, die visuell bestätigte Verluste von Militärgerät dokumentiert. Demnach wurden seit Kriegsbeginn 3493 russische Kampfpanzer zerstört, beschädigt oder aufgegeben. Das sind mehr Panzer, als Frankreich, Großbritannien und Deutschland zusammen in ihren Beständen haben.

Die hohen Verluste stellen die russische Armee vor ein Problem. Zwar konnte Moskau die Verluste bisher durch die Reaktivierung von Panzern aus Sowjetzeiten ausgleichen, doch die Reserven scheinen langsam zur Neige zu gehen. Satellitenbilder von bekannten russischen Panzerdepots zeigen, dass die Bestände deutlich geschrumpft sind.

Eines dieser Depots befindet sich bei Kremnjowo im Gebiet Kaliningrad. Aufnahmen von September 2022 zeigen noch zahlreiche Panzer, die teilweise mit weißen Planen bedeckt sind. Auf Bildern vom Mai 2024 ist das Lager hingegen fast vollständig leer. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einem Depot bei Nowaja Staniza im Gebiet Omsk. Im Mai 2021 befanden sich dort noch zahlreiche Panzer, im Juli 2022 waren die Reihen bereits deutlich gelichtet. Im Juli 2024 waren nur noch wenige Fahrzeuge übrig.

Eine Gruppe von Open-Source-Analysten hat Satellitenbilder von insgesamt 16 bekannten Panzerdepots in ganz Russland ausgewertet. Vor dem Krieg wurden auf den Bildern insgesamt 6300 Panzer gezählt. Bis Mitte 2024 sank diese Zahl auf etwa 3600. Die Differenz von 2700 entnommenen Panzern deckt sich in etwa mit den geschätzten Verlusten seit Kriegsbeginn. Es ist daher wahrscheinlich, dass Russland die Verluste an der Front durch die Reaktivierung von alten Panzern ausgleicht.

Allerdings ist der Zustand der Fahrzeuge aus den Depots sehr unterschiedlich. Einige der ältesten Modelle lagern bereits seit über 50 Jahren. Experten gehen davon aus, dass die modernsten und am besten erhaltenen Panzer zuerst reaktiviert wurden. In den letzten Monaten wurden an der Front jedoch auch immer ältere Panzermodelle gesichtet, darunter sogar T-54-Panzer, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass Russland bereits jetzt auf immer ältere und schlechter erhaltene Panzer zurückgreifen muss.

Die Auswertung von Satellitenbildern zeigt, dass die Zahl der neueren Panzermodelle in den russischen Depots besonders stark zurückgegangen ist. So konnte auf den Bildern aus dem Jahr 2024 kein einziger der moderneren T-90-Panzer mehr identifiziert werden. Die Zahl der T-80-Panzer hat sich von 1400 vor dem Krieg auf nur noch 300 reduziert. Größere Stückzahlen existieren nur noch von älteren T-72A-, T-64- und T-62-Modellen. Deren Zustand wird jedoch als deutlich schlechter bewertet.

Experten gehen davon aus, dass Russland die hohen Verluste an Panzern nicht auf Dauer wird ausgleichen können. Das Royal United Services Institute (RUSI), ein britischer Thinktank, schätzt, dass Russland in den Jahren 2024 und 2025 jeweils etwa 225 Panzer neu produzieren kann. Mit der Neuproduktion allein kann Russland die Verluste von durchschnittlich 1200 Panzern pro Jahr also nur zu einem Bruchteil ausgleichen.

Es ist unklar, wie lange Russland den Krieg in der Ukraine noch mit der derzeitigen Intensität fortführen kann. Die hohen Verluste an Soldaten und Material, insbesondere an Panzern, stellen die russische Armee vor große Herausforderungen. Sollten die verfügbaren Reserven weiter schwinden, könnte dies die militärischen Optionen Moskaus deutlich einschränken.

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