4.1.2025
Sixtus IVs Fehlentscheidung Die vertauschten Seiten der Sixtinischen Kapelle

Die vertauschten Seiten der Sixtinischen Kapelle

Die Sixtinische Kapelle, ein Meisterwerk der Renaissance und Herzstück des Vatikans, birgt ein überraschendes Geheimnis: Die Anordnung ihrer Fresken, einschließlich Michelangelos weltberühmtem Deckenfresko, widerspricht den liturgischen Vorgaben. Wie Christian Hecht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) berichtet, befinden sich die Szenen aus dem Leben Christi auf der rechten Seite des Betrachters, der zum Altar blickt. Diese Seite, die sogenannte Epistelseite, ist traditionell für Lesungen aus den Apostelbriefen und dem Alten Testament vorgesehen. Die Mosesszenen, die eigentlich dorthin gehören würden, sind jedoch auf der linken Seite, der Evangelienseite, platziert, wo das Evangelium verkündet wird.

Diese Diskrepanz zwischen Bildprogramm und liturgischer Praxis lässt sich auf eine Entscheidung von Papst Sixtus IV. zurückführen, unter dessen Pontifikat die Kapelle zwischen 1475 und 1483 erbaut wurde. Ursprünglich war geplant, die Kapelle nach Osten auszurichten, gemäß der christlichen Tradition. Die Fresken wurden entsprechend dieser Ausrichtung konzipiert. Kurz vor der Fertigstellung entschied Sixtus IV. jedoch, den Altar im Westen zu belassen, vermutlich um aufwendige Umbauten für neue Zugangswege zu vermeiden. Dadurch wurden Evangelien- und Epistelseite vertauscht, und die Fresken gelangten in ihre heutige, liturgisch inkorrekte Position. Die FAZ hebt hervor, dass diese Entscheidung auch die Platzierung des Papstthrons beeinflusste, der nun unpassenderweise unter dem Moseszyklus positioniert ist.

Verschiedene Indizien sprechen für die ursprünglich geplante Ostung der Kapelle. So befindet sich das Fresko der „Schlüsselübergabe an Petrus“, das wichtigste Bild mit der Stifterinschrift von Sixtus IV., im hinteren Teil der Kapelle im Laienbereich. Wäre der Altar im Osten, so wäre der Papstthron unter diesem Fresko angeordnet gewesen, was inhaltlich stimmiger wäre. Auch die Gestaltung des Fußbodens, der im Westen aufwendiger verziert ist als im Osten, deutet auf die ursprüngliche Planung hin. Der östliche Bereich war für grüne Altarteppiche vorgesehen, während der westliche Teil stets sichtbar sein sollte und daher die reichere Ornamentik erhielt. Diese Ornamente blieben bis zur Liturgiereform von Paul VI. in den 1960er Jahren unter den Teppichen verborgen.

Die Sixtinische Kapelle, erbaut nach den Maßen des Salomonischen Tempels (die Länge entspricht der doppelten Höhe und der dreifachen Breite), beherbergt neben den Wandfresken auch Michelangelos berühmtes Deckenfresko mit Szenen aus der Genesis. Dieses entstand zwischen 1508 und 1512 und zeigt unter anderem die ikonische Darstellung der Erschaffung Adams. Das „Jüngste Gericht“ an der Altarwand, ebenfalls von Michelangelo geschaffen, entstand zwischen 1536 und 1541. Wie archeoroma.de berichtet, musste Michelangelo für die Realisierung dieses Freskos zwei Lünetten opfern. Das Werk sorgte aufgrund der dargestellten Nacktheit für Kontroversen und wurde später zensiert.

Heute ist die Sixtinische Kapelle ein Touristenmagnet und der Ort des Konklave, der Papstwahl. Trotz der liturgisch falschen Anordnung der Fresken bleibt sie ein eindrucksvolles Zeugnis der Renaissancekunst und ein Ort von großer spiritueller Bedeutung. Die Multimedia-Show „Giudizio Universale – Michelangelo and the Secrets of the Sistine Chapel“ in Rom, die Gudrun Sailer für katholisch.de rezensierte, bietet eine moderne Interpretation des Kunstwerks und ermöglicht es dem Publikum, die Fresken aus nächster Nähe zu erleben.

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