15.10.2024
Spannungen zwischen Israel und UN nach Angriffen auf Blauhelme im Libanon

Blauhelmsoldaten dürften „niemals“ zum Ziel werden, erklärte der UN-Sicherheitsrat. Auch Deutschland verurteilte zusammen mit Partnerländern die Attacken als Verstoß gegen internationales Recht. Israels Premier Netanjahu sprach von einem Versehen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sorgt der wiederholte Beschuss der UN-Beobachtermission Unifil im Libanon für Spannungen zwischen Israel und den Vereinten Nationen.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte UN-Generalsekretär António Guterres auf, „Unifil aus Hisbollah-Hochburgen und den Kampfzonen“ abzuziehen. Entsprechende Appelle habe Unifil bisher ignoriert, so Netanjahu. „Dies hat zur Folge, dass den Hisbollah-Terroristen menschliche Schutzschilde zur Verfügung gestellt werden.“

Guterres wies die Aufforderung zurück. Die Truppen würden auf ihren Positionen bleiben, teilte er mit. „Angriffe auf Friedenstruppen verstoßen gegen das Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts.“ Beim Beschuss von Unifil-Positionen handele es sich womöglich um Kriegsverbrechen.

Die im Rahmen von Unifil im südlichen Libanon stationierten Blauhelmsoldaten waren in den vergangenen Tagen wiederholt unter Beschuss geraten. Mindestens fünf von ihnen wurden verletzt. Die meisten Angriffe werden dem israelischen Militär zugeschrieben. Dieses wirft der Hisbollah-Miliz vor, in unmittelbarer Nähe von Unifil-Posten zu operieren und von dort aus Angriffe aus Israel zu starten. Allein im September seien etwa 25 Raketen auf israelische Orte und Militärstützpunkte von Hisbollah-Stellungen im Umfeld von Unifil-Positionen abgefeuert worden, teilte die Armee mit. Bei einem dieser Angriffe seien zwei Soldaten getötet worden. Israelische Soldaten hätten im Südlibanon auch unterirdische Waffenlager entdeckt, die sich nur „einige Dutzend bis einige Hundert Meter“ von Unifil-Posten entfernt befunden hätten. 

Die Bundesregierung betrachte die Lage im Südlibanon mit wachsender Besorgnis, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Dass der UN-Stützpunkt erstürmt und beschossen wurde, sei nicht hinnehmbar. „Die Blauhelmsoldaten müssen geschützt werden“, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts mit. Die Bundesregierung erwarte, dass Israel über sein Vorgehen aufkläre.   

Auch die EU forderte eine „gründliche Untersuchung“ seitens der israelischen Behörden. Die Angriffe der israelischen Streitkräfte stellten einen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht dar und seien völlig inakzeptabel.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unterstrich, dass solche Angriffe inakzeptabel seien. Italien stellt mit mehr als 1.000 Soldaten eines der größten Personalkontingente für die Mission zur Verfügung. Der neuseeländische Premierminister Christopher Luxon sagte, die ganze Welt sei darüber entrüstet, dass Israel UN-Einrichtungen angreife. „Sie sind dort im Rahmen einer Friedensmission, um den Frieden an dieser Grenze zu bewahren“, sagte er. An einer Erklärung von mehr als 30 Ländern, in denen Unifil eine uneingeschränkte Unterstützung zugesichert wird, beteiligte sich auch Deutschland. 

Aufgabe von Unifil ist es, die Einhaltung eines Waffenstillstands zu überwachen, den Israel und die Hisbollah nach dem Libanonkrieg 2006 geschlossen hatten. Die Truppe mit mehr als 10.000 UN-Soldaten ist zwar bewaffnet, verfügt aber über kein sogenanntes robustes Mandat – das heißt, sie kann ihre Waffen im Wesentlichen nur zur Selbstverteidigung einsetzen.

Die israelischen Angriffe auf die Unifil-Friedenstruppen in Südlibanon stehen nach Ansicht der Bundesregierung im Widerspruch zum internationalen humanitären Recht und müssen sofort eingestellt werden. In einer gemeinsamen Erklärung mit Italien, Großbritannien und Frankreich betont Deutschland die "unentbehrliche stabilisierende Rolle" der UN-Soldaten in der Region. Israel und andere Parteien müssten zu jeder Zeit die Sicherheit der Blauhelm-Soldaten gewährleisten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies Vorwürfe zurück, das Militär seines Landes habe absichtlich die Friedenstruppen angegriffen. Dies sei "absolut falsch". Israels Militär tue vielmehr sein Möglichstes, um zu vermeiden, dass Unifil-Personal zu Schaden komme, während Israel Kämpfer der Hisbollah treffe, sagt Netanjahu. "Aber der beste Weg zur Gewährleistung der Sicherheit des Unifil-Personals besteht darin, dass die Unifil der Bitte Israels nachkommt und sich vorübergehend aus der Gefahrenzone zurückzieht." 

Trotz der israelischen Aufforderung zum Abzug sollen die Soldaten der UN-Beobachtermission in Libanon (Unifil) ihre Arbeit vorerst fortsetzen. "Es wurde die Entscheidung gefällt, dass Unifil derzeit alle ihre Stellungen hält, obwohl sie von den israelischen Streitkräften zum Abzug aus ihren Positionen nahe der Grenze aufgefordert wurde", sagte der Chef der UN-Friedensmissionen, Jean-Pierre Lacroix.

Bei den Kämpfen zwischen den israelischen Streitkräften und der Schiiten-Miliz Hisbollah waren die Blauhelme in den vergangenen Tagen mehrmals unter Feuer geraten, mindestens vier Soldaten wurden dabei verletzt.

Wegen der mehrfachen Angriffe geht die Bundeswehr von größerer Gefahr für ihre Männer und Frauen in der Friedenstruppe aus. "Nach hiesiger Bewertung besteht für die Kräfte vor Ort eine erhöhte Gefährdungslage, die durch entsprechende Schutzmaßnahmen der Truppe bestmöglich reduziert wird", sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Etwa 40 Soldatinnen und Soldaten seien im Camp des UN-Hauptquartiers in Nakura. "Alle Angehörigen des deutschen Einsatzkontingents sind wohlauf", sagte der Sprecher.

Quellen:

  • https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-krieg-news-liveticker-libanon-unifil-lux.QuTbE9m2ENvwKDFuJz5SnA
  • https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-10/un-mission-libanon-unifil-angriffe-israel-kritik-kriegsverbrechen
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