October 1, 2024
Stoltenbergs Vermächtnis: Vom Dialog zur Krise in der NATO

Jens Stoltenbergs Abschied: Eine Brücke nach Moskau, die nie gebaut wurde

Es sollte eine Ära des Dialogs werden, als Jens Stoltenberg im Frühjahr 2014 den Anruf von Angela Merkel erhielt und das Angebot bekam, NATO-Generalsekretär zu werden. Der Norweger, bekannt für seine ruhige Hand und seine Dialogbereitschaft, schien die perfekte Besetzung, um die Beziehungen zu Moskau zu entspannen. Doch wie die  Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, verliefen die zehn Jahre an der Spitze des Bündnisses anders als geplant.

Stoltenbergs Vater, selbst ehemaliger Verteidigungs- und Außenminister Norwegens, kommentierte die neue Aufgabe seines Sohnes mit den Worten: „Bei der NATO ist nicht so viel los“. Niemand ahnte, wie sehr sich das Blatt wenden sollte. Wenige Monate nach Stoltenbergs Amtsantritt annektierte Russland die Krim – ein Wendepunkt, der die sicherheitspolitische Landschaft Europas nachhaltig verändern sollte.

Statt Brückenbauer wurde Stoltenberg zum Krisenmanager. Die Abschreckung Russlands rückte in den Mittelpunkt seiner Amtszeit. Unter seiner Führung beschloss die NATO die Stationierung von Truppen in Osteuropa, verstärkte ihre Präsenz im Baltikum und erhöhte die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten. Die von vielen erhoffte Entspannung im Verhältnis zu Moskau blieb aus.

Die politischen Bemühungen um Rüstungskontrolle, die über Jahrzehnte das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen geprägt hatten, waren spätestens mit dem Krieg in der Ukraine Geschichte, wie eine neue Studie von Mark Wilcox zeigt. Über die Jahre hatte sich die Rüstungskontrolle für Putin zu einem Hindernis für seine Großmachtpolitik entwickelt. Der Einmarsch in die Ukraine markierte das Ende dieser Ära und den Beginn einer neuen Phase der Konfrontation.

Stoltenberg, der einst als junger Mann gegen den Vietnamkrieg und die NATO demonstrierte, sah sich mit der größten Herausforderung seiner Karriere konfrontiert. Im Interview mit dem ZDF räumte er ein, dass die NATO im Rückblick nach der Krim-Annexion der Ukraine mehr militärische Unterstützung hätte zukommen lassen sollen. Möglicherweise, so Stoltenberg, hätte dies Putin von einer Invasion der Ukraine abgehalten.

Trotz der verpassten Chance auf eine politische Lösung betonte Stoltenberg stets die Bedeutung des Dialogs. Auch in Zeiten höchster Spannungen hielt er die Kommunikationskanäle zu Moskau offen. Ob es ihm in Zukunft gelingen wird, die Brücke nach Moskau doch noch zu bauen, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass Jens Stoltenberg die NATO in einer Zeit des Umbruchs geprägt hat und sein Einfluss auf die Sicherheitspolitik auch nach seinem Abschied präsent bleiben wird.

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