Kommentar zur Brombeer-Koalition: Warum Wagenknecht einlenkte
Die geplante Brombeer-Koalition in Thüringen aus CDU, SPD und BSW hat für viel Aufsehen gesorgt, nicht zuletzt wegen der Rolle von Sahra Wagenknecht. Anfangs hatte die BSW-Chefin die Koalitionsverhandlungen in Thüringen stark kritisiert, wie Markus Wehner in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) berichtet. Sie befürchtete, dass die populistischen „friedenspolitischen“ Ziele des BSW, die bei den Landtagswahlen im Osten Erfolge brachten, in der Landespolitik untergehen könnten. Wagenknecht sah die bundespolitischen Chancen ihres Projekts gefährdet und ging mit Machttechniken gegen die Thüringer Landesvorsitzende Katja Wolf vor, die die Verhandlungen mit CDU und SPD führte. Wie die F.A.S. weiter ausführt, wurden sogar Mitglieder am Landesvorstand vorbei in das BSW aufgenommen, um Wagenknechts Machtbasis zu stärken.
Doch dann lenkte Wagenknecht überraschend ein und lobte den ausgehandelten Koalitionsvertrag. Mehrere Faktoren führten zu diesem Umschwung. Wie die F.A.S. analysiert, spielte die bevorstehende Bundestagswahl eine entscheidende Rolle. Ein anhaltender Konflikt innerhalb des BSW hätte die Partei als zerstritten erscheinen lassen, was sich negativ auf die Wähler ausgewirkt hätte. Wagenknecht wollte ein Scheitern ihrer Mission verhindern und beendete den Konflikt mit Wolf.
Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag nun mehr BSW-Forderungen, wie unter anderem Der Spiegel berichtet. Diese wurden jedoch nicht von der Parteibasis, sondern von Wagenknecht selbst eingebracht. Zu den Forderungen gehören ein Genderverbot an Schulen, die Priorisierung von analogem Lernen, Kopfnoten, Einschränkungen für den Verfassungsschutz und die Prüfung eines Amnestiegesetzes für Corona-Regelverstöße.
Ein weiterer wichtiger Grund für Wagenknechts Einlenken war die „Friedensformel“, die der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt mit ihr aushandelte, wie die F.A.S. berichtet. Diese Formel sieht die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen kritisch, solange sie nicht souverän von Deutschland beschlossen wurde. Diese Formulierung lässt Interpretationsspielraum und ermöglicht es Wagenknecht, den Kompromiss als Erfolg zu präsentieren.
Die Süddeutsche Zeitung kommentiert, dass der Koalitionsvertrag neben den üblichen Floskeln auch konkrete Punkte enthält, wie die Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und die Einführung kostenloser Schulmahlzeiten. Der Stern bezeichnet die Koalition als "Wagnis mit Wagenknecht" und verweist auf die ungewöhnliche Zusammensetzung der Partner. Martin Debes vom Stern betont, dass die Koalition ohne klare Mehrheit im Parlament regieren muss und dass das BSW eine neue und in Teilen obskure Partei sei. Gleichzeitig sieht er die Koalition als Alternative zu einer Beteiligung der AfD an der Regierung.
Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, musste für die Zustimmung Wagenknechts ein neuer Passus zur Friedenspolitik in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden. Dieser Passus kritisiert die Stationierung von Mittelstreckenraketen ohne deutsche Mitsprache. Die Zeitung zitiert Wagenknecht, die die Verankerung der BSW-Handschrift im Vertrag und die klareren friedenspolitischen Positionen lobt.
Die Tagesschau berichtet, dass die Koalition ambitionierte Ziele verfolgt, wie die Verbesserung der medizinischen Versorgung und die Garantie von Schulunterricht. Die MDR-Journalistin Regina Lang kommentiert, dass Katja Wolf maßgeblich zum Zustandekommen der Koalition beigetragen habe und sich gegen Wagenknecht durchgesetzt habe.
Quellen:
- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.): https://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/warum-sahra-wagenknecht-die-brombeer-koalition-will-110128029.html
- Der Spiegel: https://www.spiegel.de/politik/brombeer-koalition-in-thueringen-28-mal-das-wort-frieden-a-0d8c63b6-ec37-49ac-b89e-fa265877ed5e
- Stern: https://www.stern.de/politik/deutschland/thueringen-und-die-brombeer-koalition--wagnis-mit-wagenknecht-35249590.html
- Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/politik/friedlicher-vertrag-thueringer-koalition-ist-sich-einig-zr-93427656.html
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.): https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/koalition-in-thueringen-voigt-handelte-mit-wagenknecht-friedensformel-aus-110126946.html
- Tagesschau: https://www.tagesschau.de/inland/regional/thueringen/mdr-ambitionierte-vorhaben-thueringer-brombeer-koalition-muss-sich-jetzt-beweisen-100.html
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/meinung/cdu-spd-bsw-koalition-thueringen-kommentar-lux.CZx9yJimvM7KqBnYQN9JpK?reduced=true