19.10.2024
Tragödie in Poltawa: Ukraine kämpft nach verheerendem Angriff um Hilfe und Stabilität

Krieg in der Ukraine: Ukraine beklagt mehr als 50 Tote nach russischem Angriff auf Poltawa

In der Ukraine herrscht große Trauer nach einem verheerenden Raketenangriff auf die Stadt Poltawa, der als einer der folgenreichsten seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor zweieinhalb Jahren gilt. Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtete, dass die Zahl der Opfer bis zum Abend auf 51 Tote und 271 Verletzte gestiegen sei. Unter den Trümmern des zerstörten Gebäudes des Militärinstituts für Telekommunikation und Informatisierung in Poltawa, wo viele der Opfer Soldaten sind, könnten sich noch weitere Menschen befinden, während die Rettungskräfte unter Hochdruck arbeiten.

Der Angriff, der sich 280 Kilometer östlich von Kiew ereignete, wurde mutmaßlich mit Iskander-Raketen durchgeführt. Obwohl dieser Angriff besonders verheerende Folgen hatte, ist der Beschuss von Städten und zivilen Objekten für die Menschen in der Ukraine trauriger Alltag. So wurde in der Nacht zuvor auch die Universität in der nordöstlichen Stadt Sumy durch einen weiteren Luftangriff zerstört.

Selenskyj fordert Unterstützung vom Westen

In seiner täglichen Videoansprache erneuerte Selenskyj seine Forderung an den Westen, die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen gegen militärische Ziele auf russischem Gebiet schnellstmöglich zu gewähren. Er betonte, dass die russischen Angriffe nur dann effektiv gestoppt werden könnten, wenn die Ukraine in der Lage sei, die Abschussrampen der Okkupanten zu vernichten und die russischen Militärflugplätze sowie die Logistik zu attackieren. In diesem Zusammenhang dankte Selenskyj Rumänien für die Ankündigung, eine Batterie des Flugabwehrsystems Patriot zu liefern. Zudem hatte er ein Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau geführt, in dem die Notwendigkeit weiterer Flugabwehrsysteme und weitreichender Waffen erörtert wurde.

Regierungsumbildung in Kiew

Angesichts der aktuellen Herausforderungen kündigte Selenskyj eine Umstrukturierung der Regierung an, um den außen- und innenpolitischen Anforderungen des bevorstehenden Herbstes gerecht zu werden. Ein zentrales Problem ist die Energieversorgung der Bevölkerung in der kalten Jahreszeit, da die ständigen russischen Angriffe das Strom- und Wärmenetz des Landes stark beschädigt haben. Bereits jetzt müssen die Ukrainer häufige Stromabschaltungen in Kauf nehmen.

Mehrere Minister haben bereits ihren Rücktritt eingereicht, und Medienberichten zufolge droht auch Außenminister Dmytro Kuleba die Entlassung. Regierungschef Denys Schmyhal soll jedoch im Amt bleiben. Zu den bekanntgewordenen Rücktritten zählen der Minister für die Rüstungsindustrie sowie die Ressortchefs für Justiz und Umwelt. Auch der Chef des Fonds für Staatseigentum, der für Privatisierungen zuständig ist, möchte aus dem Amt scheiden. Später wurden auch die Rücktrittsgesuche der Vizeregierungschefinnen Olha Stefanischyna und Iryna Wereschtschuk bekannt, wobei Letztere für Flüchtlingsfragen und Ersterer für die europäische Integration der Ukraine verantwortlich ist. Es wird jedoch berichtet, dass Stefanischyna einen anderen Posten in der Regierung erhalten soll.

Schwierige Lage an der Front

Die ukrainischen Streitkräfte stehen an der Front weiterhin unter Druck. Laut dem abendlichen Lagebericht des ukrainischen Generalstabs gab es erneut fast 200 Gefechte. Das Hauptziel der russischen Angriffe bleibt die Kleinstadt Pokrowsk im Gebiet Donezk, wo allein rund 60 Zusammenstöße gemeldet wurden. In dieser Region haben die russischen Truppen in den vergangenen Wochen aufgrund personeller und materieller Überlegenheit sowie der Lufthoheit stetig Geländegewinne erzielt.

Vorwürfe gegen Russland

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft hat russischen Soldaten vorgeworfen, weitere Kriegsgefangene getötet zu haben. Ermittlungen wegen der Erschießung dreier Ukrainer im Raum Torezk im ostukrainischen Gebiet Donezk wurden eingeleitet. Den Berichten zufolge seien die Ukrainer mit erhobenen Händen aus einem Bunker gekommen, bevor sie mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gelegt und in den Rücken geschossen wurden. Diese Vorwürfe fügen sich in eine Reihe von bereits dokumentierten möglichen Kriegsverbrechen, die während der Gefangennahme ukrainischer Soldaten durch russische Truppen begangen worden sein sollen.

Internationale Reaktionen

Die internationale Gemeinschaft reagierte mit Entsetzen auf den Angriff in Poltawa. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte auf der Plattform X, dass die Brutalität des russischen Präsidenten Putin keine Grenzen kenne. Der Beschuss des militärischen Ausbildungszentrums und des Krankenhauses sei fortgesetzt worden, während Helfer bereits die Verletzten versorgten. Der britische Außenminister David Lammy bezeichnete den Angriff als einen weiteren widerlichen Akt der Aggression in Putins abscheulichem Krieg. Ähnlich äußerte sich der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby.

Poltawa, eine Stadt mit etwa 300.000 Einwohnern vor dem Krieg, ist bekannt für ihr Militärinstitut für Kommunikation, das in den 1960er-Jahren gegründet wurde. Der Angriff auf diese Bildungseinrichtung stellt einen weiteren traurigen Höhepunkt in den anhaltenden Konflikten dar, die die Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Jahr 2022 erlebt.

Die regionale Militärverwaltung von Poltawa hat eine dreitägige Trauerzeit angekündigt, um den Opfern des Angriffs zu gedenken.

Quellen: FAZ, MDR, Tagesschau, Deutschlandfunk.

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