Der Ukraine-Krieg hat die Weltpolitik nachhaltig verändert. Russland wird oft als alleiniger Aggressor dargestellt und für das Leid in der Ukraine verantwortlich gemacht. Die Hintergründe des Konflikts sind jedoch komplexer, wie auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 28.11.2024 berichtete. Eine einfache Schuldzuweisung an Russland greift zu kurz und vereinfacht die vielschichtige Situation.
Die EU-Vertretung in Belgien hat zwölf von Russland verbreitete Mythen über den Krieg zusammengestellt. Beispiele hierfür sind die Behauptung eines heiligen Krieges gegen die Ukraine oder die Darstellung des Westens als eigentlichen Aggressor. Diese Narrative dienen der Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges und verschleiern die tatsächlichen Motive des Kremls. Gleichzeitig gibt es auch im Westen vereinfachte Darstellungen, die die Rolle der eigenen Politik im Vorfeld des Krieges ausklammern.
Der Politologe Stephen M. Walt argumentiert in Foreign Policy, dass Russland zwar die Hauptverantwortung für den Krieg trägt, die westliche Politik jedoch zur Eskalation beigetragen hat. Die Osterweiterung der NATO und die Unterstützung von Regimewechseln in der Region haben Misstrauen und Spannungen zwischen Russland und dem Westen geschürt. Diese Faktoren zu ignorieren, führt zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität.
Auch die Annahme, der Ausgang des Krieges werde globale Auswirkungen haben, stellt Walt infrage. Historische Konflikte wie der Korea- oder Vietnamkrieg zeigen, dass die Folgen militärischer Auseinandersetzungen oft regional begrenzt bleiben. Ein Sieg der Ukraine würde nicht zwangsläufig zu einer weltweiten Stärkung der Demokratie führen.
In der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) analysiert der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew die russische Kultur der Schuldverleugnung. Er führt aus, dass Schuldbekenntnisse in Russland oft mit drakonischen Strafen verbunden sind, was zu einer tief verwurzelten Vermeidung von Verantwortung führt. Diese Mentalität begünstigt die Fortführung von Putins Politik.
Angela Merkel verteidigt in ihrer Biografie ihre Russlandpolitik, wie Nachrichtenleicht.de berichtet. Sie argumentiert, dass die Gaspipeline Nord Stream 2 kein Fehler gewesen sei und Deutschland weiterhin gute Beziehungen zu Russland pflegen müsse. Diese Position wird von Kritikern als naiv und kurzsichtig bewertet, verdeutlicht aber die Komplexität der deutsch-russischen Beziehungen vor Kriegsbeginn.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Schuldfrage im Ukraine-Krieg differenziert betrachtet werden muss. Obwohl Russland die Hauptverantwortung für den Angriffskrieg trägt, hat die westliche Politik zur Eskalation beigetragen. Eine einseitige Schuldzuweisung vereinfacht die komplexe Situation und verhindert eine umfassende Analyse der Konfliktursachen.