19.10.2024
VDA Präsidentin hinterfragt EU Verbrennerverbot

VDA-Präsidentin bezweifelt Sinn des EU-Verbrennerverbots

Einleitung

Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), hat die Sinnhaftigkeit des EU-Verbots für neue Diesel- und Benzinautos ab 2035 infrage gestellt. Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung äußerte sie Bedenken hinsichtlich der Umsetzung und der Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um den Übergang zur Elektromobilität zu gewährleisten.

Die Herausforderung der Elektromobilität

Müller betonte, dass die Automobilindustrie enorme Anstrengungen unternimmt, um die Wende zur klimaneutralen Mobilität zu schaffen. Deutsche Autohersteller investieren innerhalb weniger Jahre rund 280 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, vor allem für neue Antriebe und Elektromobilität. Hinzu kommen 130 Milliarden Euro für den Umbau der Werke. Trotz dieser Investitionen gibt es jedoch noch erhebliche Herausforderungen.

Infrastruktur und Förderungen

Ein zentrales Problem ist die unzureichende Ladeinfrastruktur in Europa. In vielen Gemeinden fehlen öffentliche Ladepunkte und Schnellladepunkte. Die Förderung für E-Autos ist weggefallen, was die Kaufbereitschaft der Verbraucher mindert. Müller kritisierte, dass die Politik nicht nur Ziele setzen, sondern auch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen muss.

Verfügbarkeit von Rohstoffen und Strom

Die Versorgung mit ausreichend günstigem, CO₂-freiem Strom sowie Rohstoffen ist ebenfalls unsicher. Erst wenn klar identifiziert ist, wer welche Maßnahmen ergreifen muss, könne man über Jahreszahlen wie 2035 sprechen. Es gehe nicht um das Ziel, sondern um die Frage, wie es erreicht werden kann.

Fokus auf E-Mobilität

Die VDA-Präsidentin betonte, dass die Automobilindustrie nicht den Schutz eines De-Facto-Verbrennerverbots benötigt. Die deutschen Autohersteller haben einen klaren Fokus auf die E-Mobilität, wollen jedoch, dass sich das E-Auto durchsetzt, weil es den entscheidenden Beitrag zur klimaneutralen Mobilität leisten wird. Sie stellte die Notwendigkeit eines Verbrennerverbots infrage und forderte eine Ermöglichungsdebatte statt einer Verbotsdebatte.

Europäische Energiepolitik

Müller forderte eine engagierte Energiepolitik in Deutschland und Europa. Bezahlbare und CO₂-neutrale Energie ist wichtig für die Industrie und die Verbraucher, die ihr Auto CO₂-neutral laden sollen. Sie betonte die Notwendigkeit europäischer Energiepartnerschaften, um Verträge über die Lieferung von billigem Grünstrom zu schließen.

Freihandelsabkommen

Berlin müsse mehr Druck auf Brüssel ausüben, um wichtige Freihandelsabkommen, insbesondere mit Indien, Mexiko und Mercosur, abzuschließen. Zu oft verliere sich die EU im Klein-Klein oder ein Land blockiere alles aus Eigeninteresse. Diese Selbstlähmung könne sich Europa nicht länger leisten.

Keine Rückkehr zur Atomkraft

Auf die Frage nach einer möglichen Rückkehr zur Atomkraft antwortete Müller, dass es nicht darum gehe. Eine neue Kernenergie-Debatte in Deutschland führe aktuell zu nichts. Stattdessen brauche es eine europäische Energiepolitik, die auf Wind- und Solarenergie setzt.

Ladeinfrastruktur

Die unzureichende Ladeinfrastruktur ist ein weiteres zentrales Problem. In vielen Gemeinden gibt es noch keinen öffentlichen Ladepunkt. Müller forderte einen schnellen und vorausschauenden Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Bezahlsystems.

Investitionen und Standortprobleme

Die Investitionen wandern ins Ausland, weil die Bedingungen in Deutschland nicht attraktiv genug sind. Müller forderte, dass die Politik alle Hebel in Bewegung setzt, um Deutschland für Unternehmen wieder attraktiv zu machen. Sie kritisierte die hohen Produktionskosten und die zunehmende Bürokratie, die den Standort Deutschland unattraktiv machen.

Personalkosten

Obwohl der VDA nicht Tarifpartner ist, stellte Müller die Frage, ob angesichts der harten internationalen Konkurrenz jetzt die Zeit für Arbeitszeitverkürzung oder kräftige Lohnerhöhungen sei. Wichtiger sei, dass die Politik Maßnahmen ergreift, um Deutschland für Unternehmen wieder attraktiv zu machen.

EU-Strafzölle

Die EU-Strafzölle auf E-Autos aus China sind laut Müller kein geeignetes Mittel, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken. Sie warnte vor Gegenmaßnahmen durch China und einer Protektionismus-Spirale, die Deutschland als Exportnation am härtesten treffen würde.

Handelspartnerschaft mit China

Müller betonte die Notwendigkeit intensiver Gespräche zwischen Brüssel und Peking, um eine faire und WTO-konforme Handelspartnerschaft zu erreichen. Sie forderte, dass die Politik die eigenen Hausaufgaben macht, anstatt nur mit dem Finger nach China zu weisen.

Zukunft der deutschen Autoindustrie

Trotz der Herausforderungen sieht Müller eine Zukunft für Autos „made in Germany“. Die deutsche Autoindustrie sei nach wie vor technologisch und innovativ wettbewerbsfähig. Es gehe allein um die Rahmenbedingungen, die die Politik schaffen muss, um die Jobs in Deutschland auf Dauer zu sichern.

Fazit

Die VDA-Präsidentin Hildegard Müller stellt den Sinn des EU-Verbrennerverbots infrage und fordert eine Debatte über die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um die Wende zur Elektromobilität zu schaffen. Sie betont die Notwendigkeit einer engagierten Energiepolitik, europäischer Energiepartnerschaften und wichtiger Freihandelsabkommen. Trotz der Herausforderungen sieht sie eine Zukunft für die deutsche Autoindustrie, wenn die Politik die richtigen Maßnahmen ergreift.

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