München – Der Zusammenbruch von Wirecard im Jahr 2020 hat bei unzähligen Anlegern tiefe finanzielle Wunden hinterlassen. Wie die Zeit berichtet, beginnt am heutigen Freitag vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht ein Musterprozess, der stellvertretend für tausende weitere Schadenersatzklagen steht. Ein hessischer Aktionär hat Klage eingereicht und fordert Wiedergutmachung für die horrenden Kursverluste, die er durch die Wirecard-Pleite erlitten hat.
Insgesamt sind rund 8.500 Klagen von Anlegern anhängig, die zusammen 750 Millionen Euro Schadenersatz fordern. Aufgrund des erwarteten großen Andrangs findet die Verhandlung in der Wappenhalle des ehemaligen Flughafens München-Riem statt. Der frühere Wirecard-Chef Markus Braun, der im Strafprozess bereits als Hauptangeklagter unter Betrugsverdacht steht, ist auch im zivilrechtlichen Musterverfahren der Hauptbeklagte. Neben ihm steht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY auf der Beklagtenliste. Wie die Saarbrücker Zeitung berichtet, richtet sich der Fokus der Schadenersatzforderungen insbesondere auf EY, da Braun selbst durch die Pleite den Großteil seines Vermögens verloren hat, das in Wirecard-Aktien investiert war.
Die Anleger argumentieren, dass sie durch vorsätzlich falsche Informationen zum Kauf der Aktien verleitet wurden. Im Zentrum der Vorwürfe stehen die mutmaßlich frei erfundenen Gewinne in den Bilanzen des Konzerns, die von EY mehrfach bestätigt wurden. Erst im Jahr 2020 verweigerte die Prüfungsgesellschaft das Testat für die Wirecard-Bilanz des Vorjahres. Wie der Merkur online berichtet, können geschädigte Anleger auf Entschädigung hoffen, wenn sie nachweisen können, dass sie aufgrund dieser falschen Informationen Aktien erworben haben.
Das zivilrechtliche Musterverfahren läuft parallel, aber getrennt vom Strafprozess gegen Braun. Es soll die rechtliche Aufarbeitung der Schadenersatzforderungen beschleunigen und vereinfachen. Solange das Musterverfahren läuft, ruhen die übrigen 8.500 Klagen, die sonst vom Landgericht München I einzeln verhandelt werden müssten. Das Urteil im Musterprozess wird als eine Art Blaupause für die weiteren Verfahren dienen. Neben den 8.500 Klägern haben weitere 19.000 Wirecard-Anleger Forderungen bei Gericht angemeldet.
Trotz der Bedeutung des Musterverfahrens wird es voraussichtlich mehrere Jahre dauern, bis ein Urteil ergeht. Das Oberste Landesgericht rechnet aufgrund der Komplexität des Falls mit einer mehrjährigen Verfahrensdauer. Der Anwalt des Musterklägers, Peter Mattil, zeigt sich laut dpa etwas optimistischer und schätzt, dass ein Urteil in erster Instanz in etwa drei Jahren möglich sein könnte. Wie FINANCE Magazin berichtet, wurden die Ermittlungen gegen den ehemaligen Wirecard-Treasurer Thorsten Holten eingestellt, da sich die Vorwürfe gegen ihn als falsch herausgestellt hätten.
Laut test.de ist es für Aktionäre schwierig, Schadenersatz zu erhalten. Sie könnten zwar ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, erhalten aber wahrscheinlich nur einen Teil ihres Geldes zurück. Die Verjährungsfrist für Forderungen gegen Wirtschaftsprüfer und Manager beginnt frühestens 2023.
Quellen: